Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
und Dressurreiten – das war nie Alex’ Welt gewesen. Julia hatte noch im Jurastudium diesen Schnösel Sebastian geheiratet, dem Dad später einen Job in seiner Kanzlei angeboten hatte und der mit ihm die Leidenschaft für alte britische Sportwagen teilte. Zumindest tat er so. Julia und Sebastian bekamen ihre Tochter Larissa und zogen auch nach Oberkassel. Julia war auf dem besten Weg, eine Kopie ihrer Mutter zu werden, ohne es zu merken. Gerne einen zu viel getrunken hatte sie ja immer schon. Für Alex hingegen war das Ziel klar definiert: Sie wollte Kriminalpsychologin werden. Profilerin. So wie Clarice Starling in »Das Schweigen der Lämmer«, den sie vier Wochen nach Benjamins Tod gesehen und nach dem es kein Zurück mehr für sie gegeben hatte.
»Auch das noch«, hörte sie Schneider seufzen, der sich seinen Weg durch das raschelnde Kornfeld bahnte. Als Alex sich umdrehte, sah sie drei Männer an Schneider vorbei auf sie zugehen. Unter ihnen war Marcus, der das Jackett seines hellen Leinenanzugs über die Schulter geworfen trug und Schneider im Vorbeigehen auf den Rücken klopfte. Bei dem zweiten schien es sich um einen Fotografen mit einer riesigen Kameratasche zu handeln. Die langen schwarzen Haare trug er zu einem Zopf gebunden. Der dritte Mann schlich mit gesenktem Kopf, die Hände in den Hosentaschen, neben den beiden her.
»Marlon Kraft und Edgar Link von der
Neuen Westfalenpost.
Alexandra Gräfin von Stietencron, unsere neue Psychologin«, stellte Marcus sie einander knapp vor. Kraft musterte Alex von oben bis unten, während der Fotograf nur Augen für den Mähdrescher hatte und seine Kamera aus der Tasche zog.
»Psychologin? Warum hast du mir nichts davon erzählt?«, bellte Kraft mit rauher Stimme.
Marcus zuckte mit den Achseln. »Komm runter. Nächste Woche wollten wir Frau von Stietencron sowieso in einer Pressekonferenz vorstellen, dann hat sie sich wenigstens ein wenig eingearbeitet.«
» PK s interessieren mich nicht«, antwortete Kraft, der offensichtlich beleidigt war, erst jetzt von der Neuigkeit zu erfahren. Der Reporter sah ein wenig schmierig aus mit den halblangen Haaren, die seitlich mit Gel zurückgekämmt waren und in denen eine Sonnenbrille steckte. Sein orangefarbenes Hemd, die ausgewaschene Jeans, die ganze Ausstrahlung – Alex war sich sicher, dass Kraft ein ziemliches Ekelpaket sein konnte und sich dafür noch nicht mal besonders anstrengen müsste. Zudem verfügte er sicher über den Geltungsdrang, der kleinen Menschen oft innewohnt – Kraft war gerade mal eine Handbreit größer als sie. Seine Blicke flitzten nervös hin und her, in ihm schien eine unterdrückte Energie zu pulsieren, und als er ihr die Hand zum Gruß reichte, wunderte sich Alex nicht darüber, dass sie feucht war.
»Marlon Kraft,
Neue Westfalenpost.
« Er fletschte die Zähne, seine Version eines Lächelns.
»Stietencron, hallo«, entgegnete Alex, die sich stets ohne ihr »von« und erst recht ohne das peinliche »Gräfin« vorstellte.
»Marcus hat mir die groben Facts schon genannt«, sagte Kraft und trat von einem Bein aufs andere. Er war in ständiger Bewegung. »Haben Sie irgendetwas darüber hinaus? Machen Sie das Profiling? Gibt es einen Verdacht oder Hinweise auf die Identität des Täters?« Die Fragen schossen nur so aus ihm heraus. Alex sah Marcus hilfesuchend an, der ihr zuzwinkerte und für sie in die Bresche sprang. »Alex … Frau von Stietencron, arbeitet sich gerade ein, Marlon. Mit Profiling hat sie nichts zu tun. Sie ist uns im Rahmen eines Pilotprojekts als Polizeipsychologin vom Land zugeordnet worden. Hast du als Pressemitteilung …«
»Klar«, unterbrach ihn Kraft, »aber du hast mir kein Wort davon gesagt, dass sie schon da ist.«
»Und ich habe dir auch gesagt, dass wir sie in einer PK …«
»Und ich habe dir eben schon gesagt, dass mich PK s nicht interessieren. Das haben sie nicht, als Schwartz noch im Amt war, das tun sie erst recht nicht, seitdem du auf seinem Sessel sitzt.«
Die beiden streiten wie ein altes Ehepaar, dachte Alex. Sie verspürte das leichte Unbehagen, das sie oft befiel, wenn andere in ihrer Gegenwart über sie sprachen. Außerdem versetzte es ihr einen Stich, dass Marcus ihren Job so klein machte.
Der Fotograf ließ die Kamera rattern. »Okay.« Kraft wandte sich an Alex. »Ich rufe Sie die Tage mal an für ein Porträt in unserer Zeitung.«
Alex nickte, während Marcus den Kopf schüttelte und sie dabei so ansah, als müsse er ein kleines
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