Alfred - König der Angel-Sachsen
Gewaltthätigen abzuhalten, als ein Krieg. Aber das Volk, das für ein Jahr mir Hülfsgelder zuerkant hat, kan das folgende Jahr sie mir entziehn. Wenn ich in sein Uebelwollen verfalle, wird nicht entweder das Volk die unbilligsten Forderungen mir abdringen können, oder der Staat entwafnet, und eine Beute seiner Feinde werden? Ich schließe einen Bund mit den Pikten, ich verspreche ihnen Hülfsgelder wider unruhige Nachbarn; sie helfen mir getreulich. Ein Redner macht die Pikten und ihre Hülfe lächerlich; das Volk schlägt mir die Gelder ab, wofür ich die nüzlichen Freunde gedungen habe, ihr Blut hinzugeben, um einen Theil des Blutes der Sachsen zu ersparen. Die verlassenen Bundsverwandten werden zu Feinden, und den Schaden kan eine gefallende Rede von einem beliebten Ausgeschossenen thun.
»Der Einwurf, bescheidete sich Amund, ist schwer zu beantworten. Was der weise Alfred befürchtet, das kan widerfahren; ich sage mehr, es wird geschehen, weil es aus der Natur der Menschen fließt. So weigerten die misvergnügten Römer, für die Konsuln zu siegen, so liessen sie sich schlagen, weil sie einem Appius keinen Triumph gönten; Alfreds Besorgniß ist eine der Folgen der Freyheit, wann sie nicht durch die Weisheit geleitet wird.«
»Ein Mittel bleibt übrig. Wann die Ausgeschossenen nicht alle Jahre gewählt würden, wann sie für drey, für sieben Jahre das Volk vorstellten. Nur auf ein Jahr die Ausgeschossenen zu wählen, dünkt mich ohnedem schädlich: sie wären allerdings zu sehr in den Händen der Menge, von deren sie frey seyn solten: eine jede Wahl ist auch eine Gährung, die nicht zu oft wieder kommen muß, wenn das Volk in der Aemsigkeit, in dem Fleiße, und in einiger Ordnung bleiben sol. Bleibt die Macht der Ausgeschossenen für mehrere Jahre gesichert, so werden eben die unveränderten Männer in der Folge des Krieges vermuhtlich nicht die Früchte der Bestrebung der ersten Jahre vernichten, nicht sich der Rache der Nation bloß stellen wollen, die, so blind sie gegen ihres Königs Verdienste gewesen seyn mag, doch diejenigen unversöhnlich verabscheuen wird, durch deren Eigensinn des Staates Würde, und Sicherheit aufgeopfert worden ist. Der Verbündete wird auch ein Zutrauen gegen Engelland fassen, dessen Regierung für mehrere Jahre festgesezt ist. Je öfter neue Wahlen vorgehen, je mehr nähert sich die Verfassung der Regierung, die beym Volke ist; je länger der große Raht unverändert bleibt, je weniger Einfluß behält die Menge.«
»Vielleicht ist bloß diese Dauer eine Feder, durch welche in künftigen Jahrhunderten die Ruder der Regierung gehemt oder angetrieben werden können, so wie sie zu viel Widerstand finden, oder zu eilig fortgerissen werden.«
»In keiner Weisheit der Menschen ist ein Mittel, das alle Uebel heilt, das zugleich alle Aufwüchse der Freyheit zu hindern, und dennoch dem Fürsten nicht eine Macht zu geben wisse, die dem Volke zur Unterdrükung gereiche. Dennoch glaube ich, der Fürst werde eben durch die Gefahr die er läuft, wann er die Liebe seines Volkes verloren hat, in die nüzliche Nohtwendigkeit versezt werden, sich durch die Klugheit zuzubereiten, den Scepter so zu führen, daß er weder den Bürger zu sehr drüke, noch ihm selbst zu schwer werde. Der Fürst wird von den ersten Jahren her sich zu den Schwierigkeiten einer mit eifersüchtigen Unterthanen umringten Regierung auszubilden, und so zu verfahren lernen, daß der weisere und bessere Theil des Volkes ihm zugethan bleibe. Er wird nichts von dem Murmeln der Unterthanen zu befürchten haben, wenn er sich bestrebt ein Alfred zu werden.«
»Der König sann, nicht ohne Sorgen, den Vorschlägen nach, die Amund entworfen hatte. Noch ist, sagte der Weise, mein Volk nicht fähig sich selber zu regieren. In erleuchteteren Jahrhunderten wird es vielleicht würdiger werden, am Steuerruder mit zu sizen. Meine sol die Sorge seyn, ihm das Licht der Wissenschaften anzusteken, und die Schönheit der Weisheit und der Tugend, und zugleich die Wege zu zeigen die zu diesen Töchtern des Himmels führen. So lang ich mit der Macht herrsche die meine Ahnen mir zum Erbe hinterlassen haben, so sol es meine unermüdete Bemühung seyn, daß mein Volk es nicht bereue, so viele Macht in meinen Händen zu sehen.«
Das fünfte Buch.
Die Reisen Othars, des Nordländers.
Im äußersten Ende von Halgoland, im nordlichen Theile von Nordmannland, wohnte ein bemittelter Edelmann, sein Name war Othar. Er besaß sechshundert Rennthiere; in
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