Alfred - König der Angel-Sachsen
einem Lande, wo alles andre Vieh selten war, pflügte er mit eigenen Pferden und Ochsen. Er hatte viel gelesen, sein Geist ward durch die Erzählungen der Reisenden aufgewekt, die in entfernten Gegenden ihren Verstand mit neuen Wahrheiten bereichert, die ihrer Mitbürger Sitten mit den Sitten der Ausländer verglichen, und aus diesen Mittel ausgefunden, jene zu verbessern; die die unbekanten Bequemlichkeiten, bessere Werkzeuge, und leichtere Nahrungsmittel ihrem Volke mitzutheilen, sich geschikt gemacht hatten. Norwegen wurde damahls durch Harald mit den schönen Haaren beherrscht, einen Herrn, der die kleinern Fürsten seines Reiches unterdrükte, und die Rechte des Thrones erweiterte. Othar hatte seinen Hang zum Genuße der algemeinen Vorrechte der menschlichen Natur durch die Kenntniß der alten Skalden vermehrt, die vor einem tapfern Volke die Vorzüge der Freyheit besungen hatten.
Er empfand eine Neigung zum Reisen, und zur Entdekung entfernter Länder, deren er nicht widerstehen konte. Er schifte sich ein, und kam an Alfreds Hof, der mit der Aufnahme seiner Seemacht sich eben beschäfftigte. Der König sah mit Vergnügen einen Mann, den die Nohtwendigkeit gelehrt hatte, die Kunst der Schiffahrt gründlich sich bekant zu machen.
Nordmannland hat von der Natur, neben den Rennthieren und dem Gewilde, keine andre Mittel erhalten, seine Einwohner zu ernähren, als die See. Zwischen den Klippen einer in fürchterliche Abstürze abgebrochenen Küste, zwischen den felsichten Inseln die vor dem Lande liegen, ist das Meer mit einer unerschöpflichen Menge von Thieren angefült, die von den kühnen Einwohnern durch alle Gefahren der Winde und des Eises verfolgt, ihre Bedürfnisse ersezen müssen. Das Getreid, womit in mildern Ländern die dankbare Erde den Fleiß des Akermannes belohnt, müssen die abgehärteten Nordländer in fernen Gegenden suchen, und durch lange Seefahrten zu ihren Hütten bringen. Jeder Nordmann ist ein Fischer, und ein Schiffer; daher kam es, daß die Scandinavischen Seeküsten mit zahlreichen Schifheeren die Einwohner fruchtbarerer Länder so leicht beunruhigen konten.
Othar wurde dem Könige vorgestelt. »Alfred, sagte der Nordländer, verdient durch seine Tugenden, daß die Erdkugel neue Länder ihm anbiete, die kein Sterblicher noch befahren hat. Ich hoffe Gegenden zu entdeken, wo sich Engellands Reichthum vermehren, wo zahlreiche Schiffer eine reiche Ladung finden, wo die Sachsen lernen werden, die Herrschaft des Meers zu behaupten. Ich wohne inner dem Kreise, in welchem die Sonne die Erde im Sommer niemahls verläßt, und nach einem kurzen Umwege um den Rand des Gesichtskreises, wieder in die Höhe steigt. Die Meere nähren in diesen Höhen mächtige Fische, gegen die der Elephant klein ist; dennoch dienen sie dem Menschen zum Raube, ein einziger Fisch hat den Wehrt von hundert Pfunden Silber. Meine Nordländer wissen das Ungeheuer zu bezwingen, es ist ihnen ein Spiel, mit Wurfspiessen den Riesen der See zu verfolgen. An den Klippen dieser Meere findet man das Walroß, dessen Zähne edler sind als das Helfenbein, und in der hohen See das unschäzbare Einhorn, das die Aerzte mit vollem Vertrauen allem Gifte entgegen sezen.«
»Aber Othar hat größere Absichten: Er hat Männer angehört, die die Begierde zur Beute, oder auch die ungestüme Obermacht der Winde in neue Meere getrieben hat. Nordland geht nicht biß zum Angel der Welt. Es wird vom Ocean umflossen, gegen Osten öfnet sich eine unermeßliche See, deren Gränzen niemand kennet, die biß an das großmühtige Nippon, und zu dem ämsigen Kathay reicht. Unendlich würde der Sachsen Glük, und unermeßlich Alfreds Ruhm seyn, wann es mir gelingen solte, in diese reichen Gegenden einen Weg auszufinden, und die Schäze in die Britannischen Inseln zu leiten, die so viele Völker bereichern, eh sie jezt Europa berühren. Die Seide, das Gewand der Königinnen, der feinste Stahl, das edelste Kupfer, die theuersten Metalle werden in diesen entfernten Reichen gefunden, und dasjenige Volk wird die oberste Stelle unter den Nationen einnehmen, das die Straße des Meers am besten kennen, und die Reichthümer der unbekanten Welt sich durch die Schiffahrt zueignen wird.«
»Othar verlangt zwey Schiffe, die er mit erfahrnen Seeleuten besezen wird, und Nahrungsmittel für zwölf Monden. Er wird sterben, oder für den König neue Reiche entdeken.«
Alfred gieng den Vorschlag mit Vergnügen ein. Zwey Schiffe mit Seeleuten aus Nordmannland verliessen
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