Alias XX
Gewehre, einige leichte Automatikwaffen, sonst nichts.
Für die westliche Flanke waren ihnen zwei Bataillone mit griechischen Soldaten und kretischen Partisanen zugeteilt. Einige der Griechen und Kreter besaßen Gewehre, die anderen hatten Krummschwerter, Holzäxte und Flinten. Keiner wusste, ob man sich auf sie verlassen konnte. Tom versicherte seinen Jungs, er werde sich der Sache annehmen. Also trank er mit einigen Kretern – Fischern und Ziegenhirten, einem zusammengewürfelten Haufen –, bis er sternhagelvoll war. Nur zwei von ihnen sprachen gebrochen Englisch, was aber keine Rolle spielte. Am nächsten Morgen hatte er den schlimmsten Kater seines Lebens, aber um die westliche Flanke brauchte er sich keine großen Sorgen mehr zu machen. Die Fischer und Ziegenhirten würden kämpfen. Es war der erste Mai. Der Zug hatte in Griechenland so viel durchgemacht, dass sich die Neunzehn- und Zwanzigjährigen bereits als ehrwürdige Veteranen bezeichnen konnten. Sie waren besser ausgerüstet als manch andere, hatten Decken, Werkzeuge und Essgeschirr. Aber keine Klappspaten, also gruben sie mit ihren Stahlhelmen Splittergräben und warteten.
Lord Haw-Haw im deutschen Radio prahlte Nacht für Nacht mit der Invasion Kretas. Es kam der zweite und der dritte Mai, aber von einer Invasion war nichts zu sehen, trotz des steten Dröhnens der Bomber. Mit Ausnahme der Rauchwolken über dem Hafen war der Himmel tagsüber strahlend klar.
Trotzdem konnten sie förmlich riechen, dass die Deutschen kommen würden.
Auf dem Weg nach Réthymnon wurden sie von einer Schafherde aufgehalten. Sie standen auf einem namenlosen Hügel im Schatten eines knorrigen Baums, der sie alle überleben würde, und blickten über die Suda-Bucht. Über dem Wasser hing dicker, schwarzer Dunst, der träge von den versenkten Schiffen aufstieg. Nur eines von drei Versorgungsschiffen kam durch – die Bucht wurde zum Friedhof für Lebensmittelrationen, Waffen, Fahrzeuge und Menschen. Alles, was schwamm, wurde von der deutschen Luftwaffe angegriffen, von Fischerbooten bis zur HMS York, die von Sturzkampfbombern und Jägern außer Gefecht gesetzt worden war. Am darauffolgenden Tag nahmen die Bombenangriffe zu. Man kam mit dem Beerdigen nicht mehr nach, und die Leichen verwesten, wo sie lagen. Mitte Mai hatten sie nur noch drei Hurricane und drei Gladiator-Doppeldecker, die sich den deutschen Luftangriffen entgegenwerfen konnten. Die Deutschen flogen Einsätze gegen die Luftabwehrstellungen, trafen aber auf kein Gegenfeuer. Die Befehle lauteten unmissverständlich: Feuer würde erst bei Beginn der Luftlandung erwidert, damit die eigenen Stellungen nicht verraten wurden.
Es kam der sechzehnte, siebzehnte, achtzehnte Mai … Das Fliegerkorps, Görings Eliteeinheit, würde die Speerspitze der Invasion bilden. Der Angriff war ein Unternehmen der Luftwaffe, nicht der Wehrmacht oder Kriegsmarine. Aufgrund der überwältigenden deutschen Luftüberlegenheit wurden die drei Hurricane und drei Gladiator zu einem anderen Kriegsschauplatz verlegt.
Es wurde um Erlaubnis zur Verminung des Flugplatzes gebeten. Pioniere mit Sprengsätzen trafen ein. Die Erlaubnis wurde verweigert: Máleme sei das einzige Flugfeld, auf dem Aufklärungsflüge starten könnten. Großartig, leider hatten sie keine Aufklärungsflugzeuge mehr. Gerüchte machten die Runde, dass am nächsten Tag die Invasion bevorstünde.
»Kann verdammt noch mal nicht sein«, hatte Hanner der Knirps gesagt. »Für morgen ist doch Kleiderappell angesetzt.«
»Das ist ein Argument«, sagte Rosenblatt. »Wenn zwanzigtausend Krauts zum Frühstück einfliegen, befehlen sie glatt, dass wir noch mal zum Appell antreten müssen.«
Hanner sah zu Tom. »Verscheißert der mich, Sarge?«
Tom lächelte, setzte sich und begann die Stiefel aufzuschnüren.
Manny aus Montreal fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Und was zum Teufel machen wir jetzt?«
»Brauch keine Bigband für ’nen Jitterbug«, sagte Tom.
Sie zogen sich nackt aus und sprangen ins Meer, schwammen und planschten, erstaunt beobachtet von dem Dutzend dreckverschmierter kretischer Kinder, die ihnen auf Schritt und Tritt folgten. Es war eine schöne Gegend, dieses Kreta. Es war dem Himmel nah. Am nächsten Morgen kamen die Heuschrecken.
15
1. Dezember 1941, Nacht
Ein schrilles Geräusch riss Tom aus dem Schlaf, sein Herz hämmerte wie eine Schmierpresse. Er fasste nach seinem Colt, aber sein Colt war nicht da. Es war egal. Das Zimmer war leer.
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