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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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öffnete die rote Tür. Draußen war es kalt und dunkel. Um das Gebäude spannte sich ein breiter Sims mit einer niedrigen Ziegelmauer, auf dem man Wäsche aufhängen könnte. Er schloss die Tür.
    »Das habe ich mit privat gemeint«, sagte sie. »Die Außentreppe. Wonach suchen Sie?«
    »Bitte«, sagte er.
    »Ich kann Ihnen vielleicht behilflich sein.«
    »Sie können gehen.«
    Er durchsuchte den Sekretär. Er war leer. Nichts unter dem Bett. Das Badezimmer war ein Badezimmer. Er warf die Sesselkissen auf den Boden. Er strich mit den Fingern über die Tapete. Er betrat den Schrank – Earls Anzüge, Schuhe, Hüte, Krawatten. Es gab einen leeren Koffer, der nichts anderes war als ein leerer Koffer. Er griff sich eine von Earls Krawatten von der Stange, löste unbeholfen den Knoten seiner eigenen grellen Krawatte, zog sie über den Kopf und warf sie auf den Boden.
    »Langsam glaube ich, es ist wirklich Delirium tremens«, sagte das Mädchen.
    Tom streifte sich die neue Krawatte über, kam mit seiner verbundenen Hand aber nicht recht weiter. Er kämpfte mit dem Scheißding, das immer wieder auseinanderfiel. Das Mädchen stand vom Bett auf und stellte sich zehn Zentimeter vor ihm hin. Sie war klein. Er sah auf ihr glänzendes schwarzes Haar, auf ihre Nasenspitze. Sie knüpfte den Knoten und hatte dabei die Unterlippe zwischen den Zähnen. Er drehte den Kopf weg und redete sich ein, er könne das Parfüm in ihrem Haar nicht riechen, könne nicht spüren, wie warm sie sich anfühlte, wenn er sie im Arm halten würde. Geschickt bewegten sich ihre Finger. Als sie mit dem Knoten fertig war, strich sie die Krawatte glatt, legte ihm die Handfläche auf die Brust und sah zu ihm auf. »Viel besser.«
    Ihre Blicke trafen sich. Er ging zum Tisch, sie kehrte aufs Bett zurück. Er hörte die Matratze seufzen. Er sah hinter den Büchern nach und zog die Schublade des Nachtkästchens auf – Lippenstift, Kleingeld, eine Streichholzschachtel, ein Stift mit einer nicht dazu passenden Kappe. Er leerte alles auf dem Tisch aus und drehte die Schublade um, um die Unterseite zu überprüfen. Das Mädchen beobachtete ihn, während er den Raum so gründlich durchsuchte, wie es ihm möglich war, ohne Kissen aufzuschlitzen oder Stuhlbeine abzubrechen. Es dauerte vierzig Minuten laut der bronzenen Aufziehuhr, die auf dem Regal als Buchstütze fungierte. Er fand nichts. Also »Hyde Street Misfits«? Das war alles, was er hatte. Er warf ein Kissen auf einen der Stühle und setzte sich. Er musste das Bett durchsuchen, aber das Mädchen saß darauf. Sie hatte ihr Tuch gelöst, so dass ihr das Haar wirr über die Schultern fiel.
    »Was hat Earl getan?«, fragte Tom. »Die peinliche Sache?«
    »Davon will ich lieber nicht reden.«
    Er suchte in seiner Tasche nach dem silbernen Feuerzeug, ließ es aufschnappen und klappte es wieder zu. Es erinnerte ihn an den Geruch von Rum und Asche. Wie hatte Sondegger es ihm abgenommen? Welche finsteren Künste beherrschte er?
    Die Bronzeuhr tickte zwei Minuten vor sich hin. Das Mädchen sagte: »Er hat herumerzählt, dass ich … Er hat gesagt, wir hätten miteinander geschlafen.«
    »Haben Sie?«
    »Das, denke ich, geht Sie nichts an.«
    »Wen geht es was an?«
    Plötzlich lachte sie. »Sie sind beinahe charmant, Tommy.«
    »Ich bin vieles beinahe. Waren Sie ein Liebespaar?« Das falsche Wort, wenn es sich um etwas Geschäftliches gehandelt hatte. »Ich meine, war er … haben Sie …«
    »Ich weiß, was Sie meinen.«
    »Aber Sie wollen es mir nicht sagen.«
    »Warum haben Sie Probleme mit dem Schlafen?« Das Mädchen strich sich das Kleid glatt. »Die Antwort lautet nein, wir waren kein Liebespaar. Ich war stinksauer, als er es behauptet hat. Er ist nicht boshaft, es fehlt ihm nur ein wenig an Feingefühl.«
    »Das hat Sie überrascht«, sagte Tom.
    »Ein Mädchen in meiner Stellung kann sich Gerüchte nicht leisten.« Sie grinste. »Außer sie ist diejenige, die sie in die Welt setzt.«
    »Macht das Ihren Preis kaputt? Hat er herumerzählt, er hätte Sie umsonst bekommen?«
    »Sparen Sie sich solche Grausamkeiten, Tommy. Es passt nicht zu Ihnen.«
    Er ließ den Kopf hängen. Er war müde. In seinem Kopf war es so finster wie draußen in den Straßen. »Warum sind Sie hier? Was wollen Sie?«
    »Muss ich was wollen?«
    »Jeder will was.« Er hörte die Verbitterung in seiner Stimme. Auch das passte nicht zu ihm. »Was wollen Sie, Miss Pritchett?«
    Die Matratze flüsterte, als sie sich erhob. Geräuschlos bewegten

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