Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
Vom Netzwerk:
einen Skandal unterdrückt hätte, wenn die Knaben wirklich verschwunden waren. Kannst du dir einen anderen Grund denken?«
    »Nein. Nein, natürlich nicht. Es ist völlig unerklärlich. Ich war immer der Meinung, die Sache hätte einen furchtbaren Skandal ausgelöst und wäre einer der Hauptanklagepunkte gegen Richard gewesen. Ihr scheint euch ja ganz prachtvoll auf Kosten der Geschichte zu amüsieren, mein lockiges Lämmchen und du. Als ich dir vorschlug, du solltest zum Zeitvertreib ein bißchen den Untersuchungsrichter spielen, hatte ich keine Ahnung, daß ich einen Beitrag zu einem neuen Geschichtsbild leistete. Dabei fällt mir ein, daß Atlanta Shergold dich am liebsten über den Haufen schießen würde.«
    »Mich? Ich kenne sie ja überhaupt nicht.«
    »Trotzdem ist sie hochgradig auf dich geladen. Sie behauptet, Brent schliche sich ins Britische Museum wie ein Rauschgiftsüchtiger zu seinem Ampullenvorrat. Sie kann ihn gar nicht mehr loseisen. Und wenn sie ihn dann einmal in voller Länge abschleppt, dann wandert sein Geist doch wieder dorthin zurück. Für Brent existiert sie kaum noch. Er sitzt nicht einmal mehr jeden Abend im Theater. Siehst du ihn häufig?«
    »Er ging ein paar Minuten, ehe du kamst. Aber ich glaube nicht, daß ich sobald wieder von ihm hören werde.«
    Da irrte er sich jedoch.
    Kurz vor dem Abendessen wurde ihm ein Telegramm gebracht.
    Grant riß den Umschlag auf und zog zwei Telegrammformulare heraus. Der Absender war Brent.

    »Verflixt und zugenäht was greuliches ist passiert stop erinnern sie sich an lateinische chronik von der ich sprach stop chronik des mönchs von croyland abbey stop habe sie gerade gesehen und finde darin gerücht die knaben seien tot stop das ding wurde vor richards tod geschrieben und damit haben wir den salat und am meisten ausgeschmiert bin ich und mein schönes buch wird nie geschrieben werden stop darf man in eurem fluss selbstmord verüben oder ist er für briten reserviert stop brent.«

    In das Schweigen fiel die Stimme des Krankenhausdieners: »Die Rückantwort ist bezahlt, Sir. Wollen Sie antworten?«
    »Was? Oh! Nein. Im Augenblick nicht. Ich werde später eine Antwort zur Pforte geben.«
    »Sehr wohl, Sir«, sagte der Diener, mit einem respektvollen Blick auf die beiden Telegrammformulare – in seiner Familie nahm ein Telegramm nie mehr als ein Formular in Anspruch – und ging, diesmal ohne zu summen.
    Grant überdachte die Nachricht, die ihm mit solch transatlantischer Extravaganz telegrafisch mitgeteilt worden war. Er las sie noch einmal.
    »Croyland«, sagte er nachdenklich. »Weshalb kommt mir der Name bekannt vor? Bis jetzt ist er im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit noch nicht gefallen. Carradine hat lediglich von irgendeiner Mönchschronik gesprochen.«
    Er war in seinem Berufsleben viel zu oft mit Tatsachen konfrontiert worden, die seine ganze Theorie zunichte zu machen schienen, um jetzt zu verzweifeln. Er reagierte genauso, wie er bei einer beruflichen Untersuchung reagiert hätte. Er nahm sich die beunruhigende kleine Tatsache vor und betrachtete sie von allen Seiten. Ruhig. Leidenschaftslos. Ohne die wilde Verzweiflung des armen Carradine.
    »Croyland«, sagte er wieder. Croyland lag irgendwo in Cambridgeshire. Oder war es Norfolk? Irgendwo dort herum, im Flachland.
    Die Zwergin kam mit dem Abendessen und stellte ihm die flache Schüssel so hin, daß er einigermaßen bequem essen konnte. Aber er merkte es nicht.
    »Können Sie so an Ihren Pudding?« fragte sie. Und da er nicht antwortete: »Mister Grant, können Sie an Ihren Pudding kommen, wenn ich ihn hier an den Rand stelle?«
    »Ely!« schrie er sie an.
    »Was?«
    »Ely«, sagte er leise, den Blick zur Decke gewandt.
    »Mr. Grant, ist Ihnen nicht gut?«
    Das gut gepuderte und besorgte kleine Gesicht der Zwergin schob sich zwischen ihn und die vertrauten Risse in der Decke.
    »Mir geht’s vorzüglich. Wirklich vorzüglich. Es ist mir noch nie so gut gegangen. Warten Sie doch einen Augenblick! Seien Sie ein liebes Mädchen und nehmen Sie ein Telegramm mit zur Pforte. Geben Sie mir doch meine Schreibunterlage. Ich kann nicht dran, weil der gräßliche Reispudding davorsteht.«
    Sie gab ihm Schreibblock und Bleistift, und er schrieb auf das Rückantwortformular:

    »Können Sie ähnliche Gerüchte in Frankreich um die gleiche Zeit feststellen? Grant.«

    Dann verzehrte er mit gutem Appetit sein Abendessen und bereitete sich auf einen ausgiebigen Schlaf vor. Er schwebte gerade in

Weitere Kostenlose Bücher