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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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besagte Königinwitwe?«
    »Elisabeth Woodville. Die Frau Eduards IV.«
    »Ach ja. Die hab ich mal gespielt. Es war eine Charge. In einem Stück über Warwick, den Königsmacher.«
    »Ich bin natürlich nur ein Polizist«, sagte Grant. »Vielleicht hab’ ich mich nie in den richtigen Kreisen bewegt. Vielleicht habe ich auch nur nette Menschen kennengelernt. Wo könnte man denn einer Frau begegnen, die sich mit dem Mörder ihrer Söhne an einen Tisch setzt?«
    »Ich glaube, in Griechenland«, sagte Marta. »Im antiken Griechenland.«
    »Ich kann mich aber nicht einmal dort eines solchen Beispiels entsinnen.«
    »Vielleicht auch in einem Irrenhaus. Zeigte Elisabeth Woodville irgendwelche Anzeichen von Idiotie?«
    »Nicht daß ich wüßte. Und sie war etwa zwanzig Jahre lang Königin.«
    »Also, ich hoffe, du hast jetzt gemerkt, daß diese ganze Sache eine billige Farce ist«, sagte Marta und beschäftigte sich weiter mit ihren Blumen. »Das ist überhaupt keine Tragödie. ›Ja, ja, ich weiß, daß er Klein-Richard und Klein-Eduard umgebracht hat, aber im Grunde ist er doch ein charmanter Mensch. Und es ist so schlecht für meinen Rheumatismus, in Nordzimmern zu wohnen...‹.«
    Grant lachte. Seine Laune hatte sich im Handumdrehen gebessert.
    »Du hast ganz recht. Es ist wirklich der Gipfel der Vertracktheit. So was gehört in eine Sammlung von Schauermären, nicht aber in ein nüchternes Geschichtsbuch. Das überrascht mich ja so bei den Historikern. Sie scheinen unfähig zu sein, eine Situation auf ihre Glaubwürdigkeit hin zu untersuchen. Sie sehen in die Geschichte wie in einen Guckkasten, in dem zweidimensionale Figuren vor einem verschwommenen Hintergrund agieren.«
    »Vielleicht hat man keine Zeit, Menschen zu studieren, wenn man sich durch verblichene Protokolle arbeiten muß. Damit meine ich nicht die Menschen in diesen Protokollen, sondern Menschen überhaupt. Menschen aus Fleisch und Blut. Und ihre Reaktionen.«
    »Wie würdest du sie denn spielen?« fragte Grant, dem einfiel, daß es ja zu Martas Beruf gehörte, sich in Menschen zu versetzen.
    »Wen spielen?«
    »Die Frau, die aus der Freistatt kam und sich für siebenhundert Taler jährlich und das Recht, an Gesellschaften im Schloß teilzunehmen, mit dem Mörder ihrer Kinder anfreundete.«
    »Das könnte ich nicht. Eine solche Frau gibt es nur in den Stücken des Euripides oder in Strafanstalten. Man könnte sie nur als Schlampe darstellen. Wenn ich es mir recht überlege, dann würde sie wohl eine sehr gute Schwankrolle abgeben. In einer Persiflage des großen Versdramas. In fünffüßigen Jamben. Das muß ich mal probieren. In einer Wohltätigkeitsveranstaltung oder so. Hoffentlich hast du nichts gegen Mimosen? Wenn ich mir überlege, wie lange ich dich schon kenne, dann ist es doch komisch, wie wenig ich von deinen Vorlieben und Abneigungen weiß. Wer hat denn die Frau erfunden, die mit dem Mörder ihrer Söhne Schweine gehütet hat?«
    »Niemand hat sie erfunden. Elisabeth Woodville kam aus der Freistatt und nahm eine Apanage von Richard an. Diese Apanage wurde nicht nur gewährt, sie wurde ausbezahlt. Ihre Töchter tanzten im Schloß, und an ihren anderen Sohn, den aus erster Ehe, schrieb sie, er solle von Frankreich zurückkommen und seinen Frieden mit Richard machen. Oliphant erklärt dieses Verhalten damit, daß sie befürchtete, man würde sie mit Gewalt aus der Freistatt holen. Hast du jemals gehört, daß man einen Menschen aus einer Freistatt gezerrt hat? Wer das täte, würde exkommuniziert werden – und Richard war ein gehorsamer Sohn der heiligen Kirche. Als Alternative hat Oliphant nur noch anzubieten, daß Elisabeth das Leben in der Kirche gelangweilt hat.«
    »Und womit erklärst du ein so merkwürdiges Verhalten?«
    »Die naheliegende Erklärung ist die, daß die Knaben lebten und wohlauf waren. Kein Zeitgenosse hat je etwas anderes angedeutet.«
    Marta betrachtete die Mimosenzweige. »Allerdings. Du sagtest ja, daß in der Ächtungserklärung gegen Richard keinerlei diesbezügliche Anschuldigung vorgebracht wurde.« Ihre Augen wanderten von den Mimosen zu dem Porträt auf dem Nachttisch und dann zu Grant. »Du glaubst also, ganz nüchtern und in deiner Eigenschaft als Polizist, daß Richard mit dem Tod der beiden Knaben nichts zu schaffen hatte.«
    »Ich bin völlig überzeugt, daß sie am Leben und wohlauf waren, als Heinrich bei seiner Ankunft in London den Tower übernahm. Nichts, aber auch gar nichts könnte erklären, weshalb er

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