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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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Unhold geschmäht hätte.«
    »Nein. Können Sie mir die Daten der beiden Verleumdungen geben?«
    »Gewiß. Ich habe sie hier aufgeschrieben. Der Mönch in Croyland berichtet im Spätsommer des Jahres 1483 von diesen Geschehnissen. Er schreibt, es gehe ein Gerücht um, daß die Knaben umgebracht worden seien, daß aber niemand wisse, auf welche Weise. Im Januar 1484 taucht dann die Verleumdung bei den Generalstaaten auf.«
    »Hervorragend«, sagte Grant.
    »Weshalb wollten Sie, daß es noch ein zweites Gerücht gebe?«
    »Als Gegenprobe. Wissen Sie, wo Croyland liegt?«
    »Ja. Im Fen Country.«
    »Im Fen Country. Bei Ely. Und genau dort verbarg sich Morton, nachdem er Buckinghams Obhut entflohen war.«
    »Morton! Natürlich!«
    »Wenn Morton der Urheber des Gerüchts war, dann mußte es auf dem Kontinent ebenfalls zu solchem Gerede kommen, als er sich dorthin begab. Im Herbst 1483 entfloh Morton aus England, und prompt wird das Gerücht im Januar 1484 in Frankreich laut. Croyland ist ein sehr abgelegener Ort. Der ideale Platz für einen flüchtigen Bischof, um sich zu verstecken, bis die Vorbereitungen für seine Reise ins Ausland getroffen sind.«
    »Morton!« sagte Carradine noch einmal und kostete den Namen auf der Zunge. »Jedesmal, wenn in dieser Geschichte etwas faul ist, stößt man auf Morton.«
    »Das ist Ihnen also auch aufgefallen?«
    »Er war die treibende Kraft bei der Verschwörung zur Ermordung Richards vor dessen Krönung. Er stand hinter der Rebellion gegen Richard, als dieser gekrönt war. Und seine Spur, die zum Kontinent führt, ist von – von schmutzigen Machenschaften klebrig wie eine Schneckenspur.«
    »Na ja, die Schneckenspur ist pure Vermutung. Vor Gericht läßt sich damit nichts anfangen. Aber über seine Machenschaften jenseits des Kanals bestehen keinerlei Zweifel. Da machte er sich an eine gründliche Wühlarbeit. Er und ein Kumpan namens Christopher Urswick schufteten wie die Maulwürfe im Interesse Heinrichs. Ich habe herausgefunden, daß sie »geheime Briefe und Geheimkurier nach England schickten, um dort gegen Richard zu hetzen.«
    »Ja? Ich weiß nicht so genau wie Sie, was bei Gericht für stichhaltig gilt und was nicht. Aber mir scheint, daß diese Schneckenspur ein durchaus erlaubtes Bild ist – wenn Sie gestatten. Ich glaube nicht, daß Morton mit seiner Wühlarbeit wartete, bis er jenseits des Kanals war.«
    »Nein, natürlich nicht. Für Morton war es lebenswichtig, daß Richard abserviert wurde. Wenn Richard blieb, war es mit Mortons Karriere Essig. Er war erledigt. Nicht nur, daß er mit keinem Weiterkommen mehr zu rechnen hatte. Es war alles aus. Man würde ihn seiner unzähligen Pfründe berauben und ausziehen bis auf das schlichte Priestergewand. Ihn, John Morton. Dem das Erzbistum schon zum Greifen nahe gewesen war. Wenn er aber Heinrich Tudor auf den Thron verhelfen konnte, dann war es möglich, daß er nicht nur Erzbischof von Canterbury, sondern auch noch Kardinal wurde. O ja, für Morton war es von großer, ja von größter Wichtigkeit, daß Richard England nicht regierte.«
    »Nun«, sagte Brent, »er war der rechte Mann für ein so hinterhältiges Spiel. Ich glaube nicht, daß er irgendwelche Skrupel kannte. So ein kleines Gerüchtchen wie Kindesmord dürfte für den ja eine Lappalie gewesen sein.«
    »Man muß natürlich immer damit rechnen, daß er selbst daran geglaubt hat«, sagte Grant, der so daran gewöhnt war, alle Möglichkeiten gründlich abzuwägen, daß er darüber sogar seine Abneigung gegen Morton vergaß.
    »Daß er geglaubt hat, die Knaben seien ermordet worden?«
    »Ja. Das kann ebensogut ein anderer erfunden haben. Schließlich hallte das Land von Lancaster-Gerüchten wider, die teils aus purer Bösartigkeit, teils aus Propagandagründen ausgestreut wurden. Es ist möglich, daß Morton nur die neueste Kostprobe davon weitergegeben hat.«
    »Pah! Es würde ihm ähnlich sehen, wenn er den Weg zu einer späteren Ermordung geebnet hätte«, sagte Brent giftig.
    Grant lachte. »Das will ich auch gar nicht bestreiten«, sagte er. »Was haben Sie denn sonst noch von unserem Mönch aus Croyland erfahren?«
    »Es war auch etwas Tröstliches dabei. Nachdem ich Ihnen in meiner Panik telegraphiert hatte, merkte ich, daß man ihm nicht alles glauben durfte. Er zeichnete einfach jedes Geschwätz auf, das aus der Außenwelt zu ihm drang. So schreibt er zum Beispiel, Richard sei in York ein zweites Mal gekrönt worden, und das ist natürlich nicht wahr. Wenn

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