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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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trat.
    Carradine betrachtete ihn besorgt und sagte: »Sie sehen aber gar nicht so vergnügt aus wie das letztemal, Mr. Grant. Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Nicht, was Richard anbelangt«, sagte Grant.
    »Wie steht es denn mit unserm lieben Monstrum?«
    »Ich habe immer noch nicht herausbekommen, weshalb Heinrich so sehr darauf bedacht war, den Titulus Regius nicht nur zu widerrufen, sondern sogar totzuschweigen. Die Sache wurde tatsächlich totgeschwiegen und blieb jahrelang vergessen, bis zufällig der Originalentwurf des Gesetzes in den Protokollen des Tower auftauchte. Im Jahr 1611 wurde er gedruckt. Speed bringt den vollen Text in seiner ›Geschichte Großbritanniens‹«
    »Oh! Nun, dann gibt’s ja über den Titulus Regius gar keinen Zweifel. Richard trat, wie im Gesetz festgelegt, die Thronfolge an, und der Bericht des geheiligten More ist Unsinn. Eine Elizabeth Lucy hat damit überhaupt nichts zu tun.«
    »Lucy? Wer ist Elizabeth Lucy?«
    »Ach, ich habe ganz vergessen, daß Sie davon noch nichts wissen. Dem geheiligten More zufolge behauptete Richard, Eduard sei mit einer seiner Mätressen, einer gewissen Elizabeth Lucy, verheiratet gewesen.«
    Der angewiderte Ausdruck, den die Erwähnung des geheiligten More jedesmal hervorrief, verzerrte auch diesmal wieder die milden Züge des jungen Carradine.
    »Das ist Blödsinn.«
    »So meint auch der geheiligte More in seiner selbstgefälligen Art.«
    »Und weshalb ließ man Eleanor Butler so sorgfältig aus dem Spiel?« fragte Carradine, der merkte, worauf es ankam.
    »Weil sie wirklich mit Eduard verheiratet gewesen war und weil die Kinder wirklich illegitim waren. Für illegitime Kinder aber hätte natürlich niemand einen Thronanspruch verteidigt. Sie wären auch keine Gefahr für Richard gewesen. Ist Ihnen aufgefallen, daß die Woodville-Lancaster-Invasion zugunsten Heinrichs und nicht zugunsten der beiden Knaben inszeniert wurde, obgleich Dorset deren Halbbruder war? Und das, ehe irgendwelche Gerüchte über ihr Verschwinden ihm zu Ohren gekommen sein konnten. Für die Anführer der Dorset-Morton-Rebellion waren diese Knaben vollkommen gleichgültig. Die Rebellion unterstützte Heinrich. Denn dann hätte Dorset einen Schwager auf dem englischen Thron gehabt, weil Heinrich Dorsets Halbschwester heiratete. Eine hübsche Schicksalsfügung für einen bettelarmen Flüchtling.«
    »Ja, das ist der springende Punkt. Daß Dorset nicht für einen Thronanspruch seines Halbbruders gekämpft hat. Wenn überhaupt eine Aussicht bestanden hätte, daß England diesen Halbbruder anerkannte, hätte ihn Dorset bestimmt unterstützt. Ich kann Ihnen aber noch etwas Interessantes erzählen. Ich habe festgestellt, daß die Königin und ihre Töchter die Freistatt in Westminster schon ziemlich bald verließen. Als Sie Dorset, den Sohn der Königin aus erster Ehe erwähnten, fiel mir das ein. Nicht nur, daß sie die Freistatt verließ, sie lebte nun, als wäre nichts geschehen. Ihre Töchter nahmen an den Festlichkeiten im königlichen Schloß teil. Und wissen Sie, was das Beste ist?«
    »Nein.«
    »Daß das alles geschah, nachdem die Prinzen ›ermordet‹ worden waren. Und nun kann ich Ihnen noch etwas erzählen. Obgleich Königin Elisabeths beide Söhne angeblich vom bösen Onkel umgebracht worden waren, schreibt sie an ihren anderen Sohn in Frankreich – an Dorset –, er solle nach Hause kommen und mit Richard, der ihn gnädig empfangen werde, Frieden schließen.«
    Es herrschte Schweigen.
    Diesmal konzertierten keine Spatzen auf dem Fensterbrett. Nur der Regen klopfte leise an die Scheiben.
    »Haben Sie nichts dazu zu bemerken?« sagte Carradine schließlich.
    »Wissen Sie«, sagte Grant, »vom polizeilichen Standpunkt aus liegt gegen Richard überhaupt nichts vor. Und das meine ich wörtlich. Nicht etwa, daß man die Anklage gegen ihn wegen Geringfügigkeit fallenlassen müßte. Nein, es liegt wortwörtlich überhaupt nicht das geringste gegen ihn vor.«
    »Das meine ich auch! Besonders, wenn ich Ihnen jetzt sage, daß jede einzelne der Personen, deren Namen Sie mir auf Ihre Liste geschrieben haben, frei und im Wohlstand lebte, als Richard auf dem Schlachtfeld von Bosworth fiel. Sie waren nicht nur frei, sie waren auch vorzüglich versorgt. Eduards Kinder tanzten nicht nur im königlichen Schloß, sie hatten sogar Apanagen. Und als sein eigener Sohn starb, hat Richard einen aus der Sippe zu seinem Erben ernannt.«
    »Welchen?«
    »Georges Sohn.«
    »Er wollte also wieder

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