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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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Werkzeug oder die Komplicin ihres Bruders war.«
    Er legte Lucrezia beiseite und nahm ein zweites Blatt in die Hand. Es war ein Porträt eines kleinen Jungen in der Tracht des späten 18. Jahrhunderts, und darunter stand in verblaßten Druckbuchstaben: Louis XVII.
    »Na, das ist doch ein ganz erstklassiges Rätsel für dich«, sagte Marta. »Der Dauphin. Entkam er oder starb er in der Gefangenschaft?«
    »Wo hast du denn all diese Bilder her?«
    »Ich lockte James aus seinem Verschlag im Viktoria-und-Albert-Museum und ließ mich von ihm in einen Kunstladen bringen. Er kennt sich doch in solchen Dingen aus, und ich bin überzeugt, daß ihn in seinem Museum sowieso nichts interessiert.«
    Es war charakteristisch für Marta, stillschweigend vorauszusetzen, daß ein Beamter, der gleichzeitig auch Dramatiker und Experte für Porträts war, seine Arbeit freudig im Stich ließe, um ihretwegen in Kunstläden herumzustöbern.
    Grant drehte die Reproduktion eines elisabethanischen Porträts um. Ein Mann in Samt und Perlen. Auf der Rückseite stand zu lesen, daß es sich um den Grafen von Leicester handele.
    »Das ist also Elisabeths Robin«, sagte er. »Ich glaube, ich habe noch niemals ein Porträt von ihm gesehen.«
    Marta betrachtete das fleischige männliche Gesicht und sagte: »Mir wird zum erstenmal bewußt, daß es zu den großen Tragödien der Geschichte gehört, daß die wirklich guten Maler die Leute immer erst gemalt haben, wenn sie ihren Höhepunkt bereits überschritten hatten. Robin muß ein bemerkenswerter Mann gewesen sein. Auch Heinrich VIII. soll als junger Mann betörend gewesen sein. Aber wie kennen wir ihn! Als Spielkartenkönig. Heute weiß man wenigstens, wie Tennyson ausgesehen hat, ehe er sich diesen greulichen Bart wachsen ließ. Ich muß sausen. Bin sowieso schon zu spät. Ich habe im ›Claridge‹ zu Mittag gegessen, und da sind so viele Leute an meinen Tisch gekommen, daß ich später wegkam, als ich vorhatte.«
    »Ich hoffe, dein Gastgeber war entsprechend beeindruckt«, sagte Grant mit einem Blick auf den Hut.
    »O ja. Sie kennt sich aus mit Hüten. Ein Blick, und sie sagte: ›Jacques Tous, wenn ich nicht irre!‹«
    »Sie?« fragte Grant erstaunt.
    »Ja. Madeleine March. Und eingeladen hatte ich. Mach nicht so ein erstauntes Gesicht. Das ist taktlos. Wenn du es genau wissen willst, ich möchte, daß sie das Stück über Lady Blessington für mich schreibt. Aber es war ein solches Kommen und Gehen an unserem Tisch, daß ich gar keine Gelegenheit hatte, ihr Eindruck zu machen. Na, jedenfalls habe ich ihr ein köstliches Essen gegeben.
    Dabei fällt mir ein, daß Tony Bittmaker sieben Leute an seinem Tisch hatte. Eine Magnumflasche nach der anderen. Wie der das nur schafft?«
    »Mangel an Beweisen«, sagte Grant, sie lachte und ging.
    Kaum allein, wandte er sich wieder Elisabeths Robin zu. Welches Geheimnis umgab Robin?
    Ach ja. Amy Robsart natürlich.
    Aber Amy Robsart interessierte ihn nicht. Es war ihm egal, wie und weshalb sie die Treppe hinuntergefallen war.
    Er verbrachte jedoch einen höchst vergnüglichen Nachmittag mit den übrigen Gesichtern. Schon lange, ehe er zur Polizei gegangen war, hatte er sich für Gesichter interessiert, und während seiner Jahre in Scotland Yard hatte dieses Interesse sich auch als vorteilhaft für seinen Beruf erwiesen. Zu Beginn seiner Laufbahn war er einmal mit seinem Vorgesetzten zufällig dazugekommen, als aus einer Reihe von Verdächtigen der Schuldige herausgefunden werden sollte. Der Fall gehörte nicht in sein Ressort, aber er und sein Vorgesetzter hielten sich im Hintergrund und sahen zu, wie ein Mann und eine Frau nacheinander die Reihe der zwölf nichtssagenden Männer abschritten, um nach dem einen zu suchen, den sie zu erkennen hofften.
    »Wissen Sie, welcher es ist?« hatte ihm sein Chef zugeflüstert.
    »Ich weiß es nicht«, hatte Grant gesagt. »Aber ich kann es mir denken.«
    »So? Und welchen meinen Sie?«
    »Den dritten von links.«
    »Was hat er ausgefressen?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß überhaupt nichts von der ganzen Geschichte.«
    Sein Vorgesetzter hatte ihn belustigt angesehen. Als aber weder der Mann noch die Frau einen der Männer bezeichnen konnten und wieder gegangen waren, und die Reihe der Verdächtigen sich zu einer schwatzenden Gruppe auflöste, die Männer an ihren Krawatten zupften und sich anschickten, wieder auf die Straße zu gehen und im Alltag unterzutauchen, aus dem man sie herbeigeholt hatte, um dem Recht

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