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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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noch einen besaß, denn sie erwähnte ihn ab und zu als »meinen Blauen«. Ihr Blauer war nicht nur ein Gelegenheitskauf, er wurde auch nur zu besonderen Gelegenheiten getragen und tauchte natürlich niemals in Tenby Court 19 auf. Er war der absolute Maßstab für alle gesellschaftlichen Ereignisse. (»Ist es hübsch gewesen, Tink?« – »Mein Blauer war mir zu schade dafür.«)
    Sie hatte ihn zu Prinzessin Elisabeths Hochzeit und zu anderen königlichen Anlässen aufgesetzt, und für zwei erhebende Sekunden hatte man sie tatsächlich damit in einer Wochenschau gesehen, in der die Herzogin von Kent ein Band durchschnitt. Aber das wußte Grant nur von Erzählungen.
    »Ich hab’ draußen gehört, daß jemand drin ist«, sagte Mrs. Tinker, »und wollt’ schon wieder gehen. Aber die Stimme ist mir bekannt vorgekommen, und da hab’ ich mir gesagt, das ist ja man bloß Miss Hallard, da kannste ruhig ’reingehen.«
    Mrs. Tinker war mit verschiedenen Papiertüten und einem kleinen Anemonenstrauß beladen. Sie begrüßte Marta unbefangen, denn sie war früher einmal Garderobiere gewesen, und ihre Verehrung für die Göttinnen des Theaters hielt sich daher in entsprechenden Grenzen.
    Dann warf sie einen schiefen Blick auf das herrliche Fliederarrangement, das unter Martas Händen erstanden war. Dieser Blick entging Marta, das kleine Anemonensträußchen jedoch fiel ihr auf, und sie zeigte sich der Situation gewachsen, als hätte sie sie schon mehrmals geprobt.
    »Da vergeude ich meinen Gauklerlohn für weißen Flieder, und schon kommt Mrs. Tinker und übertrumpft mich, indem sie dir die Lilien des Feldes bringt.«
    »Lilien?« fragte Mrs. Tinker mißtrauisch.
    »Sie sind wie Salomon in all seiner Herrlichkeit. Sie sind die, welche nicht säen und nicht ernten.«
    Mrs. Tinker ging nur zu Hochzeiten und Taufen in die Kirche, gehörte aber einer Generation an, die noch die Sonntagsschule hatte besuchen müssen. Sie betrachtete daher jetzt die kleine Handvoll Herrlichkeit, die ihr Wollhandschuh umschloß, mit ganz anderen Blicken.
    »Ah so. Das hab’ ich nie gewußt. Aber so ist’s ja viel verständlicher, nicht wahr? Ich hab’ dabei immer an weiße Madonnenlilien gedacht, an ganze Felder voll schrecklich teurer Lilien. Und die haben ja in Massen doch was Bedrückendes. Die waren also farbig? Warum erfährt man das denn nicht gleich richtig?«
    Und dann sprach man noch weiter von Übersetzungen und wie irreführend die Heilige Schrift doch sein konnte. Und die Situation war gerettet.
    Während sie noch mit der Bibel beschäftigt waren, kam die Zwergin mit neuen Blumenvasen herein. Grant sah, daß die Vasen für weißen Flieder und nicht für Anemonen bestimmt waren. Sie waren ein Tribut an Marta, ein Freibrief für weitere Besuche. Aber Marta waren Frauen gänzlich gleichgültig, wenn sie ihr nicht unmittelbar nützlich sein konnten. Ihr taktvolles Verhalten Mrs. Tinker gegenüber war reines savoir-faire gewesen, eine Reflexhandlung. Die Zwergin fühlte sich in ihre Schwesterngrenzen zurückgewiesen, holte die verdrängten Narzissen aus dem Waschbecken und stellte sie kleinlaut in eine Vase. Die Zwergin kleinlaut zu sehen, bereitete Grant eine langersehnte, tiefe Befriedigung.
    »So«, sagte Marta, als sie ihr Fliederarrangement beendet und das Resultat ins rechte Licht gerückt hatte.
    »Jetzt werde ich gehen, damit Mrs. Tinker dich in aller Ruhe mit all den Köstlichkeiten füttern kann, die in diesen Papiertüten verborgen sind. Sollten Sie vielleicht zufällig in einer dieser Tüten Ihre köstlichen Liebesknochen haben, liebste Mrs. Tinker?«
    Mrs. Tinker strahlte.
    »Möchten Sie vielleicht welche haben? Frisch aus dem Herd!«
    »Und ob! Wenn ich es auch bitter büßen muß! Diese schweren kleinen Kuchen sind der Tod meiner Taille. Aber bitte, bitte, geben Sie mir ein paar davon. Damit ich im Theater was zum Tee habe.«
    Mit schmeichelhafter Aufmerksamkeit suchte sie sich zwei Stück aus (»Ich habe sie besonders gern, wenn sie ein bißchen scharf gebacken sind«), verstaute sie in ihrer Handtasche und sagte: »Also auf Wiedersehen, Alan. Ich komme in den nächsten Tagen wieder vorbei und helf’ dir dann, einen Socken anzufangen. Nichts beruhigt so wie Stricken. Stimmt doch, Schwester?«
    »O ja, da haben Sie recht. Viele Herren, die ich pflege, stricken ganz begeistert. Sie finden, daß es einem sehr angenehm die Zeit vertreibt.«
    Marta warf Grant unter der Tür ein Kußhändchen zu und verschwand, gefolgt von der

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