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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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tief beeindruckten Zwergin.
    »Würde mich nicht wundern, wenn das ein ganz durchtriebenes Luder ist«, sagte Mrs. Tinker und machte sich daran, die Papiertüten zu öffnen. Die Bemerkung bezog sich nicht auf Marta.

II
    A ber als Marta zwei Tage später wiederkam, brachte sie weder Stricknadeln noch Wolle mit. Sie stürmte sehr forsch ins Zimmer, ihren Kosakenhut so lässig auf den Kopf gestülpt, daß sie bestimmt mehrere Minuten vor dem Spiegel verbracht haben mußte, um diese Wirkung zu erzielen. Es war kurz nach dem Mittagessen.
    »Ich kann nicht lange bleiben, mein Lieber. Bin auf dem Weg ins Theater. Heute ist Matinee, Gott steh mir bei. Teeschlürfende alte Tanten. Und dabei haben wir alle nun das furchtbare Stadium erreicht, wo wir überhaupt nicht mehr darüber nachdenken, was wir eigentlich sagen. Ich habe das dumpfe Gefühl, dieses Stück wird nie abgesetzt. Es wird noch so wie in New York, wo ein Theaterstück nicht jahre-, sondern jahrzehntelang läuft. Geoffrey ist gestern abend mitten im zweiten Akt steckengeblieben, die Augen quollen ihm beinah aus dem Kopf. Einen Augenblick lang glaubte ich, der Schlag würde ihn treffen. Hinterher sagte er, er hätte keine Ahnung, was zwischen seinem ersten Auftritt und der Stelle geschehen sei, wo er zu sich kam und merkte, daß der Akt schon zur Hälfte vorbei war.«
    »Mattscheibe?«
    »Nein, o nein. Er ist einfach zum Automaten geworden. Da spricht man, völlig abwesend, seinen Text und bewegt sich nur noch mechanisch und denkt dabei an ganz andere Dinge.«
    »Wenn es stimmt, was man so hört, ist das bei Schauspielern doch gar nichts Ungewöhnliches.«
    »Na, ganz so ist es auch wieder nicht. Jonny Garson kann dir zum Beispiel genau sagen, wer mit Papier raschelt, während er gerade schluchzend seinen Kopf in irgend jemandes Schoß vergräbt. Aber das ist etwas ganz anderes, als einen halben Akt lang nicht ›da‹ zu sein. Stell dir nur vor! Geoffrey hat auf der Bühne seinen Sohn aus dem Haus geworfen, sich mit seiner Maitresse verzankt und seine Frau beschuldigt, sie hätte ihn mit seinem besten Freund betrogen. Und das alles, ohne daß er sich dessen bewußt war.«
    »Und woran hat er wirklich gedacht?«
    »Er hat sich überlegt, ob er sein Flat in Park Lane an Dolly Dacre vermieten und das Haus in Richmond kaufen soll, das die Latimers aufgeben, und ob er das kleine Zimmer mit der chinesischen Rokokotapete in ein zusätzliches Badezimmer umbauen soll. Mit der herrlichen Tapete könnte man den langweiligen kleinen Raum hinten im Erdgeschoß recht hübsch machen. Der hat nämlich eine viktorianische Täfelung. Er hatte sich gerade dafür entschieden, die Sträucher am Tor zu entfernen, als er merkte, daß er vor neunhundertsiebenundachtzig Zuhörern und mitten in einer Rede mir gegenüber auf einer Bühne stand. Kein Wunder, daß er die Augen aufriß ... Ich sehe, du hast dich wenigstens zur Lektüre eines meiner Bücher aufgerafft – wenn der zerknitterte Schutzumschlag diesen Rückschluß erlaubt!«
    »Ja. Das über die Berge. Es war die reine Erlösung. Stundenlang habe ich mir die Bilder betrachtet. Nichts rückt die Dinge so rasch ins Lot wie der Anblick eines Berges.«
    »Ich finde, die Sterne können das noch besser.«
    »O nein. Die Sterne reduzieren einen lediglich auf den Status einer Amöbe. Sie rauben einem den letzten Rest von Menschenwürde, den letzten Funken Selbstvertrauen. Aber ein schneebedeckter Berg hält sich in erträglichen Grenzen. Ich lag da, betrachtete mir den Everest und dankte Gott, daß ich ihn nicht besteigen mußte. Mein Krankenbett war ein Hafen der Wärme und Ruhe und Sicherheit im Vergleich zu diesen Hängen, und die Zwergin und die Amazone gehörten plötzlich zu den höchsten Errungenschaften der Zivilisation.«
    »Nun, hier habe ich dir noch mehr Bilder mitgebracht.«
    Marta schüttelte den großen Umschlag, den sie in der Hand hatte, über seinem Bett aus, und eine Menge Kunstdruckblätter flatterten auf die Bettdecke.
    »Was ist denn das?«
    »Gesichter«, sagte Marta entzückt. »Dutzende von Gesichtern habe ich dir mitgebracht, Männer, Frauen und Kinder. Alle Arten und alle Größen.«
    Er nahm ein Blatt von der Bettdecke und betrachtete es. Es war ein Frauenporträt aus dem 15. Jahrhundert.
    »Wer ist das?«
    »Lucrezia Borgia. Ist sie nicht ein Herzchen?«
    »Mag es sein. Aber willst du vielleicht behaupten, daß sie ein Geheimnis umwittert?«
    »O ja. Bis heute hat noch niemand herausgebracht, ob sie das

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