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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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wirklich zu glauben. Er kommt von A bis zu B, ist aber vollkommen unfähig, den Sprung nach C hinüber zu machen. Der Verbrecher kann zwei völlig unvereinbare Dinge vor sich haben und nach beiden ohne Zögern greifen. Er will einfach nicht verstehen, daß er sie nicht beide haben kann. Er ist wie ein Mensch, der keinen Geschmack hat und einfach nicht begreift, daß gefälschte Antiquitäten ein Unding sind. Haben Sie schon mit Ihrem Buch begonnen?«
    »Nun – ich habe Ansätze dazu gemacht. Ich weiß, wie ich es schreiben möchte. Ich meine, ich bin mir über die Form klargeworden. Hoffentlich haben Sie nichts dagegen.«
    »Weshalb sollte ich etwas dagegen haben?«
    »Ich möchte alles so schreiben, wie es sich zugetragen hat. Daß ich zu Ihnen zu Besuch kam und daß wir diese Richard-Geschichte ganz zufällig und ohne zu wissen, wohin sie uns führen würde, begonnen haben und daß wir uns nur an Tatsachen und nicht an nachträgliche Berichte hielten. Und daß wir nach dem Bruch in der Geschichte suchten, der uns zeigen sollte, wo der Wurm saß. Und so weiter.«
    »Das finde ich großartig.«
    »Wirklich?«
    »Ja, wirklich.«
    »Na, dann fallt mir ein Stein vom Herzen. Dann werde ich weitermachen. Ich werde mich noch ein wenig mit Heinrich beschäftigen, nur so zur Verzierung. Ich hätte gern die beiden Leben, so wie sie wirklich waren, nebeneinandergestellt, damit die Menschen sich selbst ein Urteil bilden können. Wußten Sie, daß Heinrich die Sternkammer ins Leben rief?«
    »War das Heinrich? Das hatte ich ganz vergessen. Das klassische Beispiel für Tyrannei. Sie werden keinerlei Schwierigkeit haben, die gegnerischen Porträts gegeneinander abzugrenzen! Ein hübscher Kontrast: hier die Sternkammer, da das Verbot, Geschworene einzuschüchtern und zu beeinflussen.«
    »Hat das Richards Parlament verboten? Du meine Güte, was ich alles noch lesen muß. Atlanta spricht nicht mehr mit mir, sie haßt Sie wie die Pest. Sie sagt, sie könne mit mir ebensowenig anfangen wie mit einem Modejournal aus dem vergangenen Jahr. Und dabei bin ich doch zum erstenmal in meinem Leben etwas wirklich Aufregendem begegnet, Mr. Grant. Etwas Wichtigem, meine ich. Nicht aufregend, was man so ›aufregend‹ nennt. Atlanta ist aufregend. Mehr Aufregung brauche ich gar nicht. Aber unter wichtig verstehe ich etwas anderes – Sie werden schon wissen, was ich meine.«
    »Ja, ich verstehe. Sie haben etwas gefunden, um das es sich lohnt.«
    »Das ist es. Ich habe etwas gefunden, was der Mühe wert ist. Und ich werde mir diese Mühe machen. Das ist das Herrliche daran. Ich, der kleine Carradine. Ich bin mit Atlanta hierhergekommen und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, außer daß ich diese Studienarbeit als Alibi brauchte. Ich gehe ins B.M., um mir was zu suchen, was ich Papa vor die Nase halten kann, und mit einer großen Aufgabe komme ich wieder heraus. Ist das nicht umwerfend?« Er sah Grant fragend an.
    »Mr. Grant, sind Sie ganz sicher, daß Sie das Buch nicht selbst schreiben wollen? Schließlich ist das eine tolle Sache.«
    »Ich werde nie ein Buch schreiben«, sagte Grant im Brustton der Überzeugung. »Nicht mal ›Meine zwanzig Jahre in Scotland Yard‹.«
    »Was, nicht mal Ihre Autobiographie?«
    »Nicht mal meine Autobiographie. Es ist meine feste Überzeugung, daß viel zuviel geschrieben wird.«
    »Aber dieses Buch muß doch geschrieben werden«, sagte Carradine, ein wenig gekränkt.
    »Natürlich. Dieses Buch muß geschrieben werden. Hören Sie, ich wollte Sie noch etwas fragen: Wann bekam Tyrrel nach dem zweifachen Pardon diese Stellung in Frankreich? Wie bald nach dem Dienst, den er Heinrich vermutlich im Juli 1486 geleistet hat, ist er Kommandant der Burg Guisnes geworden?«
    Carradine sah nun nicht mehr gekränkt, sondern so maliziös aus, wie es seinem gutmütigen Lämmchengesicht möglich war.
    »Auf diese Frage habe ich gewartet«, sagte er. »Ich hatte mir die Antwort darauf schon für einen rauschenden Abgang meines heutigen Auftritts bei Ihnen aufgespart, wenn Sie sie nicht gestellt hätten. Sie lautet: Beinahe unverzüglich.«
    »So. Wieder ein passendes Steinchen im Mosaik. Ich frage mich nur, ob diese Befehlshaberstelle gerade zufällig frei war, oder ob es Frankreich sein mußte, weil Heinrich ihn nicht mehr in England haben wollte.«
    »Ich wette, daß die Stelle frei war und daß es Tyrrel war, der England verlassen wollte. Wenn ich von Heinrich VII. regiert würde, dann würde ich es gewiß vorziehen,

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