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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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tiefster Niedergeschlagenheit und größten persönlichen Kummers war die Vernunft seine hervorstechendste Eigenschaft geblieben. Vernunft und Familiensinn. Kein niedrig geborener Sohn, wie lebhaft und wohlgeraten er auch immer sein mochte, sollte auf dem Thron der Plantagenets sitzen, solange seines Bruders Sohn diesen noch einnehmen konnte.
    Es war auffallend, wie deutlich dieses Familiengefühl in Richards ganzem Leben sich zeigte, von Cicelys Reisen als Begleiterin ihres Gemahls bis zur freiwilligen Anerkennung seines Neffen als seines Nachfolgers.
    Und zum erstenmal wurde Grant sich voll bewußt, wie stark dieser Familiensinn für Richards Unschuld sprach. Die Knaben, die er angeblich beiseite geschafft hatte, waren Eduards Söhne. Kinder, die er persönlich und sehr gut gekannt haben mußte. Für Heinrich jedoch waren sie nichts als Symbole. Hindernisse auf seinem Weg. Vielleicht hatte er sie nie mit eigenen Augen gesehen. Wenn man alle charakterlichen Aspekte ausschaltete, dann konnte man den Verdächtigen nahezu ausschließlich an dieser Tatsache herausfinden.
    Es war ein wunderbares Gefühl, den Kopf freizubekommen und alles fein säuberlich als a), b) und c) auf einem Stück Papier vor sich zu haben. Es war Grant bisher noch nicht aufgefallen, wie überaus verdächtig Heinrich bezüglich des Titulus Regius gehandelt hatte. Wenn Richards Anspruch, wie Heinrich behauptete, lächerlich war, dann wäre es doch das vernünftigste gewesen, dieses Gesetz öffentlich noch einmal zu verlesen und zu beweisen, wie falsch es war. Aber nichts dergleichen war geschehen. Heinrich machte sich eine unglaubliche Mühe, um selbst die Erinnerung daran zu tilgen. So konnte man schließen, daß Richards Anspruch auf die Krone, wie durch den Titulus Regius bewiesen, unanfechtbar war.

XVII
    A ls Carradine am Nachmittag wieder ins Krankenhaus kam, war Grant vom Fenster bis zum Bett und wieder zurückgegangen, und darüber war er so ausgelassen vor Freude, daß die Zwergin sich bemüßigt gefühlt hatte, ihn daran zu erinnern, daß auch ein Kind von achtzehn Monaten dazu in der Lage sei. Aber heute konnte nichts Grants Stimmung trüben.
    »Sie haben wohl geglaubt, daß Sie mich monatelang hier festhalten könnten, was?« krähte er.
    »Wir sind sehr froh darüber, daß Sie sich so rasch erholt haben«, sagte sie streng und fügte hinzu: »Wir sind natürlich auch sehr froh darüber, daß Ihr Bett frei wird.«
    Und damit entfernte sie sich auf ihren Stöckelabsätzen, ganz blonde Löckchen und Stärke.
    Grant streckte sich auf seinem Bett aus und betrachtete seine kleine Gefängniszelle beinahe wohlwollend. Weder ein Mann, der den Pol erreicht, noch ein Mann, der den Gipfel des Everest erklommen hat, kostet das Triumphgefühl eines Mannes, der nach wochenlanger Bettlägerigkeit und Niedergeschlagenheit zum erstenmal wieder an einem Fenster steht. Jedenfalls war das Grants Eindruck.
    Morgen würde er nach Hause gehen. Nach Hause, um sich von Mrs. Tinker tyrannisieren zu lassen. Er würde zwar den halben Tag im Bett verbringen müssen und konnte sich vorläufig auch nur mit Hilfe von Krücken bewegen, aber er war wieder Herr seiner selbst. Nicht mehr willenlos anderen ausgeliefert. Nicht mehr bevormundet von einem ach so tüchtigen Däumling, nicht mehr der Betulichkeit überdimensionalen Wohlwollens ausgesetzt. Eine unbeschreiblich schöne Aussicht.
    Er hatte Sergeant Williams bereits mit einem Halleluja empfangen, als dieser sich, wieder aus Essex zurück, nach seinem Befinden erkundigte. Nun sehnte er Marta herbei, damit er sich in seiner wiedergefundenen Männlichkeit vor ihr brüsten konnte.
    »Wie sind Sie mit den Geschichtsbüchern zu Rande gekommen?« hatte ihn Williams gefragt.
    »Ganz erstklassig. Ich bin ihnen auf die Schliche gekommen. Sie stimmen alle nicht.«
    Williams hatte gegrinst. »Ich glaube, das ist gesetzlich verboten«, sagte er. »Hochverrat oder Majestätsbeleidigung oder so ähnlich heißt das dann. Heutzutage kann man nie wissen. An Ihrer Stelle wäre ich vorsichtig.«
    »Ich werde nie mehr ein Wort von dem glauben, was in einem Geschichtsbuch steht. Solange ich lebe, und so wahr mir Gott helfe.«
    »Sie dürfen aber das Kind nicht mit dem Bad ausschütten«, meinte Williams in seiner vernünftigen, nüchternen Art. »Königin Viktoria war in Ordnung, und ich glaube, daß Julius Cäsar wirklich in Britannien eingefallen ist. Und dann gab es 1066.«
    »An 1066 beginne ich ernstlich zu zweifeln. Wie ich sehe,

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