Alibi
günstig ist?»
Sie sah mich an und nickte ernsthaft.
«Sie glauben es nicht», erwiderte sie. «Aber ich weiß es. Ich kenne Ralph besser als Sie.»
«Natürlich ist er nicht der Täter», sagte Caroline, die sich nur mit größter Mühe zum Schweigen gezwungen hatte. «Ralph mag leichtsinnig sein, aber er ist ein lieber Junge …»
Da Flora fest entschlossen war, musste ich nachgeben, und wir entfernten uns, ehe meine Schwester Gelegenheit fand, weitere Erklärungen abzugeben, die alle mit ihrem Lieblingswort begannen: «Natürlich …»
Eine alte Frau öffnete uns die Tür des Nebenhauses. Monsieur Poirot war zuhause, wie es schien.
Wir wurden in einen kleinen, peinlich sauberen Salon gebeten, und dort begrüßte uns wenige Augenblicke später mein Freund von gestern.
«Monsieur le docteur», sagte er lächelnd. «Mademoiselle …» Er verneigte sich vor Flora.
«Vielleicht», begann ich, «haben Sie schon von der Tragödie gehört, die sich letzte Nacht ereignet hat.»
Sein Gesicht wurde ernst.
«Ja, ich hörte davon. Es ist grauenhaft. Ich versichere Mademoiselle meines herzlichsten Beileids. Womit kann ich Ihnen dienen?»
«Miss Ackroyd», begann ich, «bittet Sie … hm …»
« … den Mörder ausfindig zu machen», vollendete Flora mit klarer Stimme.
«Ich verstehe», sagte der kleine Mann. «Aber das besorgt doch die Polizei. Oder nicht?»
«Sie könnte einen Irrtum begehen», sagte Flora. «Sie ist sogar, wie ich glaube, auf dem besten Weg dazu. Bitte, Monsieur Poirot, wollen Sie uns nicht helfen? Falls … falls Geld eine Rolle spielt …»
Poirot winkte ab.
«Nicht so, Mademoiselle, nicht so, bitte. Nicht, dass mir nichts am Geld läge.» Seine Augen blinzelten plötzlich. «Geld gilt mir heute viel, und früher war es nicht anders. Nein, wenn ich mich der Sache annehme, müssen Sie eines wissen. Ich halte dann durch bis ans Ende. Ein guter Hund verlässt die Fährte nicht, verstehen Sie? Vielleicht bereuen Sie dann, den Fall der Ortspolizei entzogen zu haben.»
«Ich will die Wahrheit», sagte Flora und blickte ihm gerade in die Augen.
«Die volle Wahrheit?»
«Die volle Wahrheit.»
«Dann übernehme ich den Fall», sagte der kleine Mann ruhig. «Und ich hoffe, Sie werden diese Worte nie bereuen. Bitte beschreiben Sie mir die näheren Umstände.»
«Doktor Sheppard wird dies besser können», sagte Flora. «Er weiß mehr darüber als ich.»
Nach dieser Aufforderung begann ich zu erzählen. Poirot lauschte aufmerksam, warf hie und da eine Frage ein, verhielt sich jedoch meist schweigsam, den Blick nach der Zimmerdecke gerichtet. Ich schloss meine Erzählung mit dem Aufbruch von mir und dem Inspektor von Fernly Park vergangene Nacht.
«Und nun», sagte Flora, als ich geendet hatte, «erzählen Sie ihm alles über Ralph.»
Ich zögerte, doch ihr Blick zwang mich dazu.
«Sie gingen gestern Abend auf Ihrem Heimweg noch in den Gasthof zu den ‹Three Boars›?», fragte Poirot. «Weshalb eigentlich?»
Ich hielt ein wenig inne, um meine Worte sorgfältig zu überlegen.
«Ich dachte, irgend jemand müsse doch den jungen Mann vom Ableben seines Stiefvaters verständigen. Nachdem ich Fernly verlassen hatte, fiel mir ein, dass außer Ackroyd und mir wahrscheinlich niemand von Ralphs Anwesenheit im Dorf wusste.»
Poirot nickte.
«Ganz recht, das war der einzige Beweggrund für Ihren Besuch, eh?»
«Das war mein einziger Beweggrund», sagte ich steif.
«War es nicht, um – sagen wir – um sich des jungen Mannes zu vergewissern?»
«Mich zu vergewissern?»
«Ich nehme an, Monsieur le docteur, Sie wissen ganz genau, worauf ich hinauswill – obwohl Sie vorgeben, es nicht zu wissen. Ich meine, Sie hätten erleichtert aufgeatmet, wenn sich herausgestellt hätte, dass Captain Paton den ganzen Abend über zuhause war.»
«Durchaus nicht», entgegnete ich schroff.
Der kleine Detektiv schüttelte ernsthaft den Kopf.
«Sie schenken mir nicht so viel Vertrauen wie Miss Flora», sagte er. «Doch gleichviel. Wir haben unser Augenmerk darauf zu richten, dass Captain Paton unter Umständen verschwand, die einer Aufklärung bedürfen. Ich will Ihnen nicht verhehlen, dass die Sache sehr ernst aussieht, aber sie lässt sich vielleicht noch auf ganz einfache Weise erklären.»
«Das sage ich die ganze Zeit», rief Flora eifrig.
Poirot berührte das Thema nicht mehr. Er schlug vor, sofort die Ortspolizei aufzusuchen, empfahl Flora, heimzukehren, und bat mich, ihn zu begleiten, um ihn dem
Weitere Kostenlose Bücher