Alibi
entferntesten», erwiderte ich und fing sofort mit dem Bericht über jenen seltsamen Abend an.
«Das ist alles», sagte ich, als ich geendet hatte.
«Erpressung», meinte der Anwalt nachdenklich.
«Überrascht Sie das?», fragte Poirot.
Der Anwalt nahm seinen Kneifer ab und polierte ihn sorgfältig.
«Nein», erwiderte er, «ich könnte nicht behaupten, dass ich erstaunt bin. Ich hatte Derartiges schon seit längerer Zeit vermutet.»
«Das führt uns zu der Auskunft, um die ich Sie bitten möchte. Wenn irgendjemand uns einen Begriff von den tatsächlich ausbezahlten Summen geben kann, so sind Sie es, Monsieur.»
«Ich sehe keinen Grund, Ihnen diese Auskunft vorzuenthalten», entgegnete Hammond nach einer Weile. «Im Laufe des vergangenen Jahres hat Mrs. Ferrars gewisse Obligationen verkauft, und der hierdurch erzielte Betrag wurde ihrem Konto gutgeschrieben, aber doch nicht wieder angelegt. Da sie über ein großes Einkommen verfügt und seit dem Ableben ihres Gatten sehr zurückgezogen gelebt hat, scheint es fast sicher, dass diese Summen einem bestimmten Zweck zugeführt worden sind. Ich habe sie einmal über diesen Punkt um Auskunft gebeten und erhielt die Antwort, sie sei gezwungen, etliche arme Verwandte ihres Mannes zu unterstützen, worauf ich das Thema fallen ließ. Bis heute war ich immer der Meinung, dass das Geld in die Taschen irgendeiner Frau geflossen ist, die Ansprüche an Ashley Ferrars hatte. Nicht im Traum wäre ich darauf gekommen, dass Mrs. Ferrars selbst hineinverwickelt war.»
«Und die Höhe des Betrages?»
«Alles in allem, möchte ich sagen, belief sich die Summe auf zwanzigtausend Pfund!»
«Zwanzigtausend Pfund!», rief ich. «In einem Jahr!»
«Mrs. Ferrars war eine sehr wohlhabende Frau», sagte Poirot trocken. «Und die Strafe, die auf Mord steht, ist nicht gerade erfreulich.»
«Kann ich Ihnen sonst noch dienen?», fragte Dr. Hammond.
«Nein, danke bestens.» Poirot erhob sich. «Verzeihen Sie, dass wir Sie gestört haben.»
Wir gingen, und Poirot begann sofort: «Eh bien, wie verhält es sich mit Freund Parker? Wäre er im Besitz von zwanzigtausend Pfund weiter Butler geblieben? Glaube ich nicht. Es ist natürlich möglich, dass er das Geld unter falschem Namen bei einer Bank deponiert hat, doch ich neige eher zu der Ansicht, dass er uns die Wahrheit gesagt hat. Daher bleiben nur Raymond oder – oder Major Blunt.»
«Raymond bestimmt nicht», widersprach ich. «Er hat uns doch reinen Wein eingeschenkt.»
«Ja, er tat wenigstens so.»
«Und was Hektar Blunt betrifft …»
«Ich will Ihnen etwas sagen, was den guten Blunt betrifft», unterbrach Poirot. «Es ist meine Pflicht, Erkundigungen einzuholen, und ich hole sie ein. Eh bien – jene Erbschaft, von der er sprach, beläuft sich, wie ich festgestellt habe, auf genau zwanzigtausend Pfund. Was sagen Sie dazu?»
Ich war so bestürzt, dass ich kaum sprechen konnte.
«Das ist unmöglich», stieß ich hervor. «Ein so angesehener Mann wie Blunt …»
Poirot zuckte die Achseln.
«Wer weiß? Zum Mindesten ist er ein Mann mit hochfliegenden Plänen. Ich gestehe, ich kann mir ihn kaum als Erpresser vorstellen. Aber es gibt noch eine Möglichkeit, die Sie noch gar nicht in Betracht gezogen haben.»
«Welche?»
«Das Feuer, mein Freund. Ackroyd hat jenen Brief mit Umschlag vielleicht selbst vernichtet, nachdem Sie ihn verlassen hatten.»
«Das scheint mir kaum wahrscheinlich», sagte ich langsam. «Und doch – gewiss, es könnte so gewesen sein. Vielleicht hat er es sich anders überlegt.»
Inzwischen waren wir bei meinem Haus angelangt. Einem plötzlichen Impuls folgend, lud ich Poirot ein, an unserem bescheidenen Mahl teilzunehmen.
Ich dachte, Caroline werde sich freuen, aber Frauen sind nicht so leicht zufrieden zu stellen. Es erwies sich nämlich, dass wir Lammkoteletts zum Lunch hatten, und zwei Koteletts drei Personen vorsetzen zu müssen ist für eine Hausfrau überaus peinlich.
Doch Caroline lässt sich nicht so leicht einschüchtern. Mit bewundernswerter Verlogenheit erklärte sie Poirot, dass sie strenge Vegetarierin sei. Sie erging sich in begeisterten Lobeshymnen über die Vorzüge von Nusskoteletts (die sie, wie ich bestimmt annehme, niemals gekostet hat) und aß mit viel Appetit geröstete Käseschnitten, nicht ohne einige bissige Bemerkungen über den Genuss von Fleisch. Dann, als wir rauchend vor dem Kamin saßen, ging Caroline zum Angriff über.
«Ist Ralph Paton noch immer nicht gefunden?»,
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