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Alibi

Alibi

Titel: Alibi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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fragte sie.
    Poirot lächelte nachsichtig.
    «Ich dachte, Sie hätten ihn vielleicht in Cranchester entdeckt?», sagte Caroline mit nachdrücklicher Betonung. Poirot sah erstaunt auf.
    «In Cranchester? Weshalb gerade in Cranchester?»
    «Eines der zahlreichen Mitglieder unseres Detektivkorps sah Sie gestern zufällig in einem Wagen aus Cranchester kommen», bemerkte ich lächelnd.
    «Ach so! Nur ein Besuch bei einem Zahnarzt. Ich habe einen bösen Zahn. Ich fahre hin. Gleich schmerzt er weniger. Ich will sofort umkehren. Der Zahnarzt will nicht. Meint, es sei besser, den Zahn zu ziehen. Ich widerspreche. Er besteht darauf. Setzt seinen Willen durch! Und dieser Zahn wird mir nie wieder weh tun.»
    Caroline sank zusammen wie ein durchstochener Luftballon. Wir stürzten uns in ein Gespräch über Ralph Paton.
    «Ein schwacher Charakter», meinte ich, «aber kein schlechter.»
    «Vielleicht», sagte Poirot, «aber wo endet Schwachheit?»
    «Sehr richtig», erklärte Caroline. «Nehmen Sie zum Beispiel meinen Bruder James – weich wie Wachs, wenn ich nicht hinter ihm stünde!»
    «Meine liebe Caroline», sagte ich gereizt, «kannst du nicht sprechen, ohne anzüglich zu werden?»
    «Du bist schwach, James», versetzte Caroline unerschütterlich. «Ich bin acht Jahre älter als du – und ich mache mir gar nichts daraus, dass Mr. Poirot es weiß.»
    «Das hätte ich niemals vermutet, Mademoiselle», sagte Poirot und verneigte sich galant.
    «Acht Jahre älter. Und ich habe es immer für meine Pflicht gehalten, mich deiner anzunehmen. Der Himmel weiß, in welche Ungelegenheit du sonst geraten wärest.»
    «Ich hätte vielleicht eine schöne Abenteurerin geheiratet», sagte ich leise, blickte zur Decke und blies Rauchwolken vor mich hin.
    «Abenteurerin!», schnaubte Caroline. «Wenn wir schon von Abenteurerinnen sprechen …»
    Sie ließ den Satz unvollendet.
    «Nun?», fragte ich etwas neugierig.
    «Nichts, aber mir fällt gerade eine ein, die keine hundert Meilen von hier entfernt wohnt.»
    Dann wandte sie sich plötzlich Poirot zu.
    «James behauptet steif und fest, Sie seien der Ansicht, jemand aus dem Haus habe den Mord verübt. Ich kann nur sagen, Sie haben unrecht.»
    «Ich möchte nicht gern unrecht haben», versicherte Poirot. «Das ist nicht – wie nennen Sie das? – mein Metier, mein Beruf.»
    «Ich sehe die Tatsachen ziemlich deutlich vor mir», fuhr Caroline fort, ohne Poirots Einwurf zu beachten, «ich erfuhr sie von James und anderen. Soweit ich es beurteilen kann, hätten nur zwei Leute vom Haus Gelegenheit gehabt, den Mord auszuführen: Ralph Paton und Flora Ackroyd.»
    «Meine liebe Caroline …»
    «Aber James, unterbrich mich nicht immer. Ich weiß, was ich rede. Parker traf sie vor der Tür, nicht wahr? Er hat nicht gehört, wie ihr Onkel ihr gute Nacht sagte. Sie kann ihn also getötet haben.»
    «Caroline!»
    «Ich sage nicht, dass sie es getan hat, James, ich sage, sie könnte es getan haben. In Wirklichkeit glaube ich sogar, dass Flora nicht einmal einer Fliege etwas zu Leide tun könnte. Aber so ist es nun einmal. Raymond und Blunt haben ihr Alibi. Mrs. Ackroyd hat auch eines. Sogar das Frauenzimmer, die Russell, scheint eines zu besitzen – und gut für sie, wenn es so ist. Wer bleibt also? Nur Ralph und Flora. Und Sie können sagen, was Sie wollen, ich glaube nicht, dass Ralph Paton ein Mörder ist. Ein Junge, den wir seit seiner Kindheit kennen!»
    Poirot schwieg und blickte den Rauchringen nach, die er in die Luft blies. Als er aber schließlich sprach, klang seine Stimme so sanft und fern, dass es einen merkwürdigen Eindruck machte. Es entsprach gar nicht seiner gewohnten Art.
    «Nehmen wir einen Mann – einen ganz gewöhnlichen Mann. Einen Mann ohne Mordgedanken im Herzen. Doch irgendwo in ihm – tief unten – schlummert eine Art Schwäche. Bisher war sie noch nicht zu Tage getreten. Vielleicht wird es auch nie geschehen – dann wird er von jedermann geachtet und verehrt zur Grube gefahren. Aber nehmen wir an, dass irgendetwas sich ereignet. Er ist in Schwierigkeiten, oder nicht einmal das. Er mag durch Zufall auf ein Geheimnis stoßen – ein Geheimnis, das für jemanden Leben und Tod umschließt. Sein erster Impuls dürfte sein, es herauszuschreien, seine Pflicht als ehrlicher Bürger zu erfüllen. Da aber meldet sich die Schwäche. Hier gibt es eine Gelegenheit, Geld zu erwerben – viel Geld sogar. Er benötigt Geld, er ersehnt es, und es geht so leicht. Er hat nichts dafür zu

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