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Alibi

Alibi

Titel: Alibi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Esszimmer geführt. Sie ist in einem fürchterlichen Zustand, das arme Ding. Sagt, sie müsse Mr. Poirot sofort sprechen. Ich kochte ihr eine Tasse Tee. Es geht einem wirklich zu Herzen, jemand in solcher Verfassung zu sehen.»
    «Im Esszimmer?», fragte Poirot.
    «Hier», sagte ich und stieß die Tür auf.
    Ursula Bourne saß am Tisch. Sie hob den Kopf, den sie bis dahin zwischen den Händen verborgen hatte. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet.
    «Ursula Bourne», flüsterte ich.
    Poirot ging mit ausgestreckten Händen an mir vorbei. «Nein», verbesserte er, «das ist nicht ganz richtig. Dies ist nicht Ursula Bourne – nicht wahr, mein Kind? –, sondern Ursula Paton, die Gattin von Ralph Paton!»

22
     
    U rsula blickte stumm zu Poirot auf. Dann verlor sie vollständig die Beherrschung und begann fassungslos zu schluchzen. Caroline schob mich beiseite, legte den Arm um sie und klopfte ihr auf die Schulter.  
    «Na, na», sagte sie beschwichtigend. «Es wird schon alles gut werden. Sie werden sehen – alles wird wieder gut.»
    Ursula richtete sich auf und trocknete sich die Augen.
    «Wie schwach und dumm von mir.»
    «Nein, nein, mein Kind», sagte Poirot gütig. «Wir verstehen alle, wie sehr Sie in diesen letzten Wochen gelitten haben müssen.»
    Ursula beruhigte sich sofort.
    «Es muss sehr schwer für Sie gewesen sein», fügte ich hinzu.
    «Sie wissen, was mich heute Abend zu Ihnen führt», sagte Ursula. «Dies hier …»
    Sie wies ein zerknittertes Zeitungsblatt vor, und ich erkannte die Notiz, die Poirot hatte einrücken lassen.
    «Es heißt, Ralph sei verhaftet worden. Dann ist ja alles zwecklos, ich brauche nicht mehr zu heucheln.»
    «Zeitungsnotizen sind nicht immer wahr, Mademoiselle», flüsterte Poirot und sah anständigerweise beschämt drein. «Nichtsdestoweniger denke ich, Sie täten gut daran, alles offen zu erzählen. Wahrheit ist es, was uns jetzt nottut.»
    Die junge Frau zögerte und sah ihn argwöhnisch an.
    «Sie trauen mir nicht, Ursula? Und doch hat es Sie zu mir getrieben. Weshalb sind Sie gekommen?», fragte Poirot sanft.
    «Weil ich nicht glaube, dass Ralph der Täter ist», sagte sie leise. «Und ich denke, Sie sind klug und werden die Wahrheit herausfinden. Und …»
    «Ja?»
    «Ich halte Sie auch für – gütig.»
    Poirot nickte mehrmals.
    «Das ist gut – ja, das freut mich. Ich glaube wirklich, dass Ihr Gatte unschuldig ist, aber die Sache sieht schlimm aus. Wenn ich ihn retten soll, muss ich alles wissen, was es zu wissen gibt – selbst wenn es ihn scheinbar noch mehr belasten sollte.»
    «Sie werden mich doch hoffentlich nicht hinausschicken?», meldete sich Caroline und setzte sich behaglich in einem Lehnstuhl zurecht. «Was ich erfahren möchte, ist», fuhr sie fort, «weshalb dieses Kind sich als Stubenmädchen verkleidet hat.»
    «Verkleidet?» fragte ich.
    «So sagte ich. Weshalb haben Sie das getan, mein Kind?»
    «Um zu leben», sagte Ursula trocken.
    Und ermutigt begann sie ihre Geschichte.
    Ursula Bourne entstammte einer siebenköpfigen, verarmten, aber vornehmen irischen Familie. Nach dem Tode des Vaters mussten die Töchter ausziehen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ursulas älteste Schwester heiratete Captain Folliot. Sie hatte ich an jenem Sonntag besucht, und nun konnte ich mir auch die Ursache ihrer Verlegenheit erklären. Entschlossen, für ihr Leben selbst zu sorgen, nahm Ursula die Stelle eines Stubenmädchens an. Die erforderlichen Zeugnisse stellte ihre Schwester ihr aus.
    «Die Arbeit gefiel mir», erklärte sie. «Und mir blieb noch reichlich freie Zeit.»
    Dann kam ihre Begegnung mit Ralph Paton und die Geschichte ihrer Liebe, die schließlich in einer heimlichen Heirat gipfelte. Ralph hatte sie fast gegen ihren Willen dazu überredet. Er erklärte ihr, sein Stiefvater werde von einer Ehe mit einem mittellosen Mädchen nichts hören wollen. Es sei daher besser, heimlich zu heiraten und ihm dann später, zu einem günstigen Zeitpunkt, die vollendete Tatsache mitzuteilen.
    So geschah es, und Ursula Bourne wurde Ursula Paton.
    Ralph hatte erklärt, er wolle seine Schulden abzahlen, sich eine Stellung suchen und dann später sich seinem Stiefvater anvertrauen.
    Aber Leuten vom Schlag Ralph Patons fällt es leichter, theoretisch ein neues Leben zu beginnen, als dies in Wirklichkeit zu tun. Er hoffte, sein Stiefvater werde sich überreden lassen, seine Schulden zu bezahlen und ihm wieder auf die Beine zu helfen. Als Ackroyd jedoch erfuhr,

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