Alice@Hollywood
Fahrer in den Sekundenschlaf fällt. Eigentlich gibt es nur ein Gefährt, das noch einen Hauch vom alten Pioniergeist dieses wunderbaren Landes atmet: eine Harley Davidson. Im Sattel eines unzähmbaren, eisernen Rosses über den Staub der Straße, Wind und Wetter trotzend, dem Sonnenuntergang entgegen. Und deshalb nehmen wir uns einen Mietwagen. Der alte Pioniergeist verschweigt nämlich, dass man sich auf einem Motorrad schon nach zweihundert Metern die Frisur ruiniert hat.
Jenny empfiehlt uns einen Autovermieter und hat es dann eilig, sich von uns zu verabschieden. Sie hat noch was Dringendes mit ihrem Filmvorführer-Hengst zu besprechen. Jede Wette, dass das vorwiegend in der Horizontalen stattfindet.
Der Parkplatz vor dem Office der Autovermietung ist nur unwesentlich kleiner als das Werksgelände von Mercedes-Sindelfingen. Man braucht schon einen Mietwagen, um die letzte Reihe der wartenden Fahrzeuge zu erreichen. Der Angestellte, der uns bedient, heißt Paul Rubinello. Er trägt die geschäftsmäßige Freundlichkeit wie einen Hut, und sein Lächeln wetteifert mit seiner Krawatte: Beide sitzen schief.
»Was für einen Wagen möchten Sie ?« , fragt er.
»Blau !«
Wir haben alle drei gleichzeitig geantwortet. Ich bin gerührt, wie gut wir uns verstehen. Mister Rubinello ist Profi. Er lässt das Lächeln, wo es ist, obwohl er sicher nicht damit gerechnet hat, auf Kundinnen zu stoßen, die ganz genau wissen, was sie wollen.
Nur gehört Blau nicht zu den beliebtesten Farben in diesem Land. Es beschränkt sich auf Teile der Nationalflagge. In dem bis zum Horizont reichenden Angebot finden sich nur drei Fahrzeuge, die unsere Hauptbedingung erfüllen. Eines hat nur zwei Sitze, das andere keinen beleuchteten Schminkspiegel, und das dritte ist der Schneepflug der Autovermietung.
Mister Rubinello lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die zahlreicher vertretenen Ockertöne. Damit ist aber auch unsere Einigkeit dahin. Ich bin entsetzt, wie wenig wir uns verstehen. Denn außer der Farbgebung haben wir alle völlig unterschiedliche Auffassungen darüber, wie ein Auto sein sollte und warum.
Nina ist der Tourenwagentyp mit Hang ins Geländegängige. Obwohl sie den Asphalt nicht einmal für eine Sekunde auch nur mit einem einzigen Rad verlassen würde. Ihr Favorit ist ein savannentauglicher Allrad-Van, mit dem man seine Einkäufe quer durch Afrika transportieren kann. Neun. Sitze für drei Personen ist das Minimum. Dafür verzichtet sie gern auf Eleganz und den Blick auf den verfügbaren Finanzrahmen.
So eine Karosse fällt bei Ruth schon in die Kategorie Selbstbefriedigung. Sie gehört in die Kompaktklasse. Früher unschön, aber zutreffend als »Kleinwagen« bezeichnet. Alles, was die Größe einer Lunchbox überschreitet, ist Prahlerei. Hauptsache es fährt, kostet nichts und ist aus rückstandsfreien Materialien zusammengebaut. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass Mister Rubinello keine Seifenkisten vermietet. Mit ihren Vorstellungen hätte sie schon in Deutschland Probleme, etwas zu bekommen, das man mit viel Wohlwollen noch als Auto bezeichnen kann. Hier ist sie mit ihrem Faible für Knochenquetscher vollends verloren. Weil in Amerika auch Lunchboxen groß genug sind, dass eine Familie darin wohnen kann.
Ich selbst sehe mich als die Rassige. Sportwagen, italienische Extravaganz, Zylinderzahl, Höchstgeschwindigkeit und Benzinverbrauch nach oben offen. Echtes feeling, Stil und Linie, dann ist auch die Farbe egal.
»Und wieso fährst du zu Hause dann einen Renault ?« , fragt mich Nina.
»Immerhin ist er blau«, sage ich und nehme ihr damit allen Wind aus den Segeln. Schwarz-Weiß-Logik kann manchmal auch bunt sein.
»Wir nehmen den da«, sagt Ruth und zeigt auf einen Mazda, das eindeutig kleinste Auto am Platz.
»Nix da«, erwidert Nina »ich schleich doch nicht in Amerika mit einer Reisschüssel über die Highways .«
Sie hat sich in ein Monstrum verguckt, das den Ausmaßen nach zu urteilen für den Transport von Großwild gebaut wurde. Natürlich hat Ruth etwas dagegen.
»Also ich hab nicht die Absicht, dass man uns für Viehbarone hält .«
Ebenso wenig für Schickeria-Koks-Trullas, als ich einen Ford Mustang vorschlage. Mit ähnlich entwaffnenden Argumenten fallen zwanzig weitere Karossen durch. Mister Rubinello folgt uns wie ein Hündchen durch die endlosen Reihen. Ohne auch nur im mindesten an unserem Verstand zu zweifeln, sieht er die Unzulänglichkeit seiner Ware ein. Er zeigt volles Verständnis,
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