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Alice@Hollywood

Alice@Hollywood

Titel: Alice@Hollywood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bunzel , Andreas Gaw
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wahrscheinlich nicht mehr als ein Jetpilot im Landeanflug: ein Stück Himmel.
    Ich bin die Rassige und das hier ist ein Coupe! Ich trete voll aufs Gas. Der Chevy reagiert prompt und schießt nach vorne. Wir werden in die Sitze gedrückt. Der Wagen kommt durch den plötzlichen Befehl leicht ins Schlingern. Aber ich schaffe es. Gerade bin ich an den beiden Trucks vorbei, da tauchen aus dem Windschatten des Linken zwei Raser auf und kreuzen direkt vor meiner Nase quer über die Fahrspuren. Ich werde geschnitten, sehe keine andere Möglichkeit auszuweichen, als millimetergenau zwischen beiden nach links zu ziehen und ebenfalls sämtliche Spuren zu schneiden. Das Manöver wird von beiden Trucks und dem gesamten nachfolgenden Verkehr mit kreischenden Bremsen anerkannt. Verzerrte Gesichter hinter Windschutzscheiben kommentieren meine beachtliche Leistung und nutzen die vortreffliche Gelegenheit, die Lautstärke ihrer Hupen unter Beweis zu stellen. Ich mache mit, ich will kein Spielverderber sein. Irgendwo hinter uns scheppert etwas., das zu dicht an die Leitplanke geraten ist. In einem weiten Bogen nutze ich noch einmal die ganze Breite des Highways, um den Chevy wieder in die Spur zu kriegen. Durch die hohe Geschwindigkeit bin ich gezwungen, dem Wagen die Wahl der Abzweigung zu überlassen.
    »Ach, Alice!« Nina sieht wieder hoch. »Ich hab doch gesagt, geradeaus .«
    »Wo sind wir denn ?« , frage ich meine Navigatorin.
    »Im Himmel ?« , höre ich eine dünne Frage von hinten. Ruth hat die Augen geschlossen und ist farblich von den beigen Sitzbezügen assimiliert worden.
    »Wir haben gewonnen«, muntere ich sie auf. Ruth öffnet vorsichtig die Augen, überzeugt sich, dass ich die Wahrheit gesagt habe, und nimmt mühsam die wichtigsten Körperfunktionen wieder auf. Ich muss selbst kurz durchatmen. Wir wollen es bis nach Chicago schaffen. Das wird anstrengend genug, auch ohne dass wir von Einheimischen mit ihren Achtzylindern attackiert werden.
    Der Wagen hat uns auf eine zweispurige Überlandstraße bugsiert. Nach Ninas Einschätzung sind wir grob auf dem Weg nach Chicago. Die direkte Verbindung New York-Chicago kann es nicht sein, die hätte eigentlich etwas üppiger ausfallen müssen. Nina greift zur klassischen Form der Navigation und blättert in den Karten herum. Wieder gibt sie Anweisungen, die von tiefer Sachkenntnis und Eindeutigkeit geprägt sind. Nach fünfzig Meilen verschwindet auch noch der kleinste Hinweis auf Chicago von den Schildern, und der Zustand der Straße verändert sich unvorteilhaft für unser gazellenartiges Gefährt. Der Umstand, dass die zuerst nur vereinzelt herumstehenden Bäume sich allmählich zu kompaktem Wald verdichten, trägt zu leiser Unruhe bei.
    »Wir hätten den Geländewagen nehmen sollen«, sagt Nina.
    »Wir hätten die richtige Straße nehmen sollen«, entgegne ich.
    »Lass mich mal sehen«, meldet sich Ruth. Ihr einziger Beitrag zur bisherigen Fahrt war die Produktion von Angstschweiß.
    Jetzt möchte sie sich nützlich machen. Der Sinn für Mitverantwortung ist eine ihrer Stärken. Der Orientierungssinn ist eine ihrer größten Schwächen. Der gerät schon in einem Gebäude mit mehr als vier Stockwerken ins Trudeln und verlässt sie vollends, wenn sie mal im Central Park mit jemand um die Wette laufen soll. Ein Kindheitstrauma. Sie ist als Achtjährige auf einer Schnitzeljagd beinahe verhungert. Dafür kann sie im Gegensatz zu Nina lesen. Ruth nimmt die Karte, der Nina ihre wertvollen Informationen entnommen hat, und ihre erste Frage lautet: »Sind wir in Tennessee ?«
    Nina und ich schütteln den Kopf.
    »Schade. Laut dieser Karte befinden wir uns 150 Meilen vor Memphis .«
    »Liegt das nicht in der Nähe von Chicago ?« , versucht sich Nina rauszureden.
    »Aus einer erdnahen Umlaufbahn betrachtet schon«, bemerke ich.
    »Was soll's. Fahren wir einfach wieder zurück«, lautet Ninas Rat.
    »Wir sind achtmal abgebogen«, gebe ich zu bedenken, und mit einem strafenden Blick zu Nina: »Nach deinen Anweisungen. Glaubst du, ich weiß noch, wo ?«
    Die restlichen Karten taugen nichts. Eine von New York, die Nina mal früher hätte auspacken sollen. Eine von Texas und zwei weitere, mit denen wir prima durch Oaxaca kommen würden, wo immer das auch liegt. Ich wende den Wagen und beschließe zu improvisieren. Wenigstens war die Straße hinter uns nicht ganz so löchrig. Tatsächlich wird sie bald breiter, und der Wald lichtet sich wieder. Beruhigend für das Gemüt, nutzlos für

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