Alice@Hollywood
begleiten mich zur Tür. Plötzlich fällt dem Faktotum noch etwas ein. So schnell es ihm seine verkrusteten Klamotten erlauben, rennt er nochmal in die Küche, um gleich darauf mit einem weiteren Briefumschlag zurückzukommen. Stolz drückt er mir das Kuvert in die Hand. Es ist ein Brief von mir.
»Steve muss auch irgendwas mit Deutschland zu tun gehabt haben«, weiß Mr. Columbo.
Ich bedanke mich höflich für den Hinweis und wende mich zum Gehen. Als in Soho der Verstand verteilt wurde, hat die WG wohl noch geschlafen. Gretzky bietet mir, sozusagen als kleine Wiedergutmachung, ein Muscle-Man-Magazin an, welches er hinter einer Tüte Katzenstreu hervorfingert.
»Keep it .«
Und das Faktotum fügt hinzu: »Mach dir selbst eine Freude !«
Klatsch! Meine Revanche. Die Umrisse meiner fünf Finger zeichnen sich deutlich auf seiner Wange ab. Ich nutze die Schocksekunde, um aus der Wohnung zu fliehen. Auf der Straße angekommen, weiche ich einem herunterfliegenden Kratzbaum und einer Salve amerikanischer Schimpfworte aus, dann bin ich auch schon um die nächste Ecke.
Ein paar Straßen weiter rette ich mich in eine Starbucks-Filiale, um bei einem Caramel-flavored Coffee zur Ruhe zu kommen.
»Dieses Arschloch !« , motze ich leise vor mich hin. Ich fliege Tausende von Meilen, um in seinen Armen dahinzuschmelzen, und Steve verpieselt sich einfach aus New York, ohne mir was zu sagen. Der kann was erleben, wenn ich ihn zu fassen kriege. "Wenn ... Traurig bohre ich mit dem Fingernagel ein kleines Loch in die untere Hälfte meines Pappbechers und beobachte versonnen, wie die hellbraune Flüssigkeit gemächlich über den Stehtisch läuft und in kleinen Fäden über die Kante gleitet, um zu meinen Füßen einen schlammigen See zu bilden.
»Sony !« , lächelt mich eine der Bedienungen entschuldigend an. Ich bekomme sofort gratis ein neues Getränk und einen Gutschein für einen Donut. Das habe es noch nie gegeben, dass ein Kaffeebecher leckgeschlagen sei. Falls irgendetwas auf meine Kleidung getropft sein sollte, möge ich doch bitte nicht zögern und Starbucks die Rechnung für die Reinigung schicken. Großzügig gehe ich über den Vorfall hinweg. Als Entschuldigung bekomme ich einen Plastikbecher mit Firmenlogo. Wieder auf der Straße ärgere ich mich ein bisschen, dass ich nicht geistesgegenwärtig gehandelt und den Konzern auf eine Million Dollar Schadenersatz verklagt habe. Schließlich hätte ich mir am heißen Kaffe, der ohne Vorwarnung aus der Tasse gespritzt kam, wer weiß was verbrühen können . Mist. Jetzt ist es für einen medienwirksamen Prozess zu spät. Dabei hätte ich das Geld echt gut gebrauchen können. Als Entschädigung für die Enttäuschung über Steve. Da sind sie wieder, meine Gedanken an diesen ... diesen .. -. diesen wunderbaren Mann, der mit Sicherheit einen guten Grund dafür hatte, mir nichts von seinem Umzug zu erzählen.
»Geh mal davon aus, der sitzt in L.A. und vögelt 'ne andere!«, gibt Nina mir als möglichen Grund an, als ich abends wieder in unserem Apartment sitze. Ruth hat sich so was Ähnliches schon gedacht, sagt sie, da ich vor unserer Abreise gar nichts mehr von meinem Ami gehört hätte. Eine Megaportion Häägen Dasz Apple-pie flavored Eiscreme tröstet mich nur vorübergehend.
»Vergiss ihn. Wir sind hier, um Spaß zu haben. Da brauchen wir doch keine Kerle, oder ?« , versucht Nina mich wenig überzeugend aufzubauen.
Sie will gerade kurz zusammenfassen, warum man sich nie im Leben auf Männer einlassen sollte, als es klingelt. Ein Kurier von United Airlines bringt Ruths Gepäck. Nach quittiertem Empfang sitzen wir vor einem in blaue Plastikplane eingewickeltem und vom Zoll abgefertigten Paket . Aufgeregt wie an Weihnachten zerrt Ruth die Folie herunter. Für einen Tag Warten zweihundert Dollar kassieren ist eigentlich kein schlechtes Geschäft, findet sie. Doch unter der Verpackung kommt ein Koffer zum Vorschein, der weder in Form noch Farbe an ihren erinnert. Auch das Namensschild »Lee Wang« lässt nicht auf meine Freundin schließen. Als wir Latexwäsche in XXL zu Tage fördern, hat sich unser Verdacht endgültig bestätigt: United hat Mist gebaut. Ein Anruf bei der Airline klärt auf. Ruths Gepäck ist offenbar mit dem des Herrn Wang verwechselt worden und dürfte zur Zeit entweder in Hongkong oder in Australien sein. Das ließe sich nicht eindeutig klären, da gleich mehrere Lee Wangs den Verlust ihrer Koffer reklamiert hätten. Man kümmere sich aber drum, und
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