Alice@Hollywood
bis zur abschließenden Klärung dürfe Ruth weitere hundert Dollar verprassen. Das ist doch mal ein Wort. Genau genommen hat Ruth die Kohle allerdings schon ausgegeben, denn sie hat den Nachmittag in einem Antiquariat verbracht und zirka fünfzig Bücher gekauft. Ein paar seltene Lyrik-Erstausgaben unter anderem von Walt Whitman und W. C. Williams, natürlich etliche Poe-Romane und ein handsigniertes Filmscript zu »Die Hard« Teil 3. Dann noch ein Heftchen mit den 100 besten Liebesstellungen für Sex im Fahrstuhl. »Man weiß ja nie, mit wem man mal stecken bleibt !«
Alles in allem also etwa dreißig Kilo Übergepäck beim Rückflug.
Nina hat uns Manhattans gemixt, wie passend. Sie verteilt die Drinks und lehnt sich in ihrem Sessel zurück. Ruth und ich fragen uns, wie man sich wohl so weit runterbücken kann, ohne auf den Alarmknopf im Fahrstuhl zu krachen.
»Will eigentlich niemand wissen, wie mein Tag war ?« , fragt Nina verheißungsvoll.
»Eigentlich nicht !« , gibt Ruth zurück, »aber falls nix im Fernsehen kommt, kannst du's ruhig erzählen!«
Kurz scheint Nina beleidigt, dann aber nippt sie am Cocktail, macht ein paar Bläschen mit dem Strohhalm und setzt sich in eine »Dann-hört-mal-zu-Mädels«-Position.
»Ich habe heute Nachmittag Kaffee getrunken. Mit Woody Allen!«
Ruth kippt mit dem Stapel Bücher um, auf den sie sich gerade gesetzt hat. Im Ernst, bekräftigt Nina. Sie erzählt uns von der Star-Tour. Nach einer Runde vorbei an den Wohnungen der »Friends« gab es einen Abstecher zu Seinfelds »Soup Nazi«. Dann hat Nina so etwa hundert Diafilme am Haus von Carrie aus »Sex and the City« verschossen und sich einen mittleren Salat in »Katz Delicatessen« gegönnt. Und da ist es passiert. Beim Aufreißen des Tütchens mit dem Dressing ist ihr eine Ladung Blue-Cheese-Soße auf das Jackett des Mannes hinter ihr gespritzt. Und das war ...
»Mr. Spock !« , ergänzt Ruth.
Nina geht aufgeregt über den Einwurf hinweg. Sie habe sich dann tausend Mal bei Woody Allen entschuldigt und versucht, den Fleck mit einer Serviette von seiner Garderobe zu rubbeln. Dummerweise habe der Aufdruck auf dem Papier abgefärbt. Das Jackett bekam zusätzlich grüne Flecken. Aber Woody Allen habe ja Humor. Gott sei Dank, wie Nina erleichtert bemerkt. Er sei total süß gewesen und habe Nina auf einen Kaffee eingeladen.
»Wir haben uns echt klasse unterhalten! Er kann sogar ein wenig Deutsch und hat ein paar jüdische Witze erzählt !«
Nina hat ihm noch ihre Ideen für zukünftige Filme mit auf den, Weg gegeben, lustige Anekdoten aus ihrer Erfahrung als Mutter eines schwer erziehbaren Kindes. Woody Allen habe sich alles brav notiert. Für einen Kinofilm reiche der Stoff zwar nicht, aber eine Fernsehserie könne man allemal draus machen. Bestimmt eine Stunde habe man zusammen gesessen, berichtet Nina stolz, und Woody Allen habe einen unglaublichen Appetit für ein so schmächtiges Kerlchen. Vier Super-Sub-Sandwiches habe er sich bestellt. Zwei große Stücke Kirschkuchen mit Sahne noch obendrauf.
»Und jetzt kommt das Beste !« , leitet Nina originell wie üblich ihre Pointe ein, »als wir zahlen wollen, hatte er doch tatsächlich sein Portemonnaie vergessen!«
Selbstverständlich hat Nina dem großen Filmemacher ausgeholfen. Und jetzt hat er ihre Adresse, denn er bestand darauf, Nina das Geld zurückzuschicken. Für Ruth das Stichwort, ihr Büchlein mit Ninas Schuldenkonto zu zücken. Ich will nachhaken, um dem Wahrheitsgehalt der Geschichte auf den Grund zu gehen, doch da kommt Jenny zur Tür herein.
»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht, Mädels !«
Sie baut sich strahlend vor uns auf. »Die Gute: Willy hat das Kino gekauft. Wir ziehen morgen zusammen nach Brooklyn und werden Filmvorführer !«
Nach einem anerkennenden Schulterklopfen interessiert mich dann aber doch die schlechte Nachricht.
»Herr Essen hat mich angerufen. Er kommt bereits morgen wieder. Das wird unsere letzte Nacht in seinem Apartment !«
Wir sind ein wenig traurig. Nina und ich, weil unsere gemeinsame Zeit mit Jenny schneller zu Ende gehen wird, als wir gedacht hatten, Ruth zusätzlich, weil sie den Punkt »Übernachtungskosten New York« mit Null veranschlagt hatte.
Wie es sich für die letzte Nacht gehört, lassen wir noch einmal die Sau raus. Das heißt, wir bestellen uns eine riesige Familienpizza und plündern zur Musik von Eminem die Bar unseres Gastgebers. Jennys eigenwillige Cocktail-Kreationen lassen mich
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