Alice@Hollywood
irgendetwas passieren würde. Deshalb habe er mir die Pistole in die Handtasche gesteckt. Für alle Fälle.
Schweigend fahren wir durch die Nacht. Ich bin immer noch ziemlich aufgelöst, als wir an der Miller-Farm ankommen. Der Truck hält. Ich will gerade aussteigen, da tritt Nina aus dem Halbschatten der Veranda hervor. Ebenfalls verheult, genau wie ich.
»Mensch, Nina, was ist denn passiert ?«
Ich nehme sie in den Arm. Nina zittert am ganzen Körper.
»Rausgeschmissen !« , stammelt sie. »Herrman hat uns rausgeschmissen !«
Nina zeigt auf unsere Koffer, die kreuz und quer vor der Haustür liegen. Wütend schnappt sich Sailor seine Pistole.
»Das geht zu weit«, brüllt er und will ins Haus.
»Mach keinen Blödsinn, du Idiot !« , schreie ich ihn an.
Mit vereinten Kräften gelingt es uns, Sailor zurückzuhalten. Fluchend wirft er die Koffer auf die Ladefläche. Wir steigen ein, und Sailor verspricht, uns zu einem Motel zu bringen. Auf der Fahrt beruhigt sich Nina allmählich wieder. Sie erzählt, was passiert ist.
»Ich hab noch eine Weile mit den Millers zusammen Fernsehen geguckt. Das war im Grunde okay«, beginnt sie.
Herrman habe zwar ein paar anzügliche Äußerungen von sich gegeben, aber Heather sei ausgesprochen reizend gewesen. Sie habe Nina gezeigt, wie man einen echten amerikanischen Quilt näht. Währenddessen habe sich der Mann mit dem deutschen Namen genüsslich eine Flasche Rotwein nach der anderen reingesprudelt.
»Dann bin ich irgendwann ins Bett«, fährt Nina fort. »Sofort eingeschlafen, kein Thema. Keine halbe Stunde später steht der Kerl hackedicht in meinem Zimmer und sagt, ich kann jetzt aufhören so zu tun, als ob ich schlafe. Der hat nur gewartet, bis seine Heather weggenickt ist. Und dann wollte er unter meine Decke. Dieser fettwanstige Frettchen-Stopfer hat wirklich geglaubt, ich wär scharf auf ihn !«
Einmal mehr hat Sailor das Bedürfnis, sich für das Verhalten seines Vaters zu entschuldigen.
»Lass gut sein !« , sage ich, »aber versprich mir, dass du da so schnell wie möglich ausziehst.«
Sailor nickt nachdenklich. Als wir vor einem Motel halten, ist seine Einkehr aber auch schon wieder beendet. »So, mit wem teile ich mir das Zimmer ?« , fragt er wie selbstverständlich, »oder sollen wir zu dritt ein großes Bett nehmen?«
Nina und ich sehen ihn entgeistert an. Schnell merkt er, dass wir im Moment wirklich nicht in der Stimmung für solche Sprüche sind. Er lässt uns kurz im Auto warten und kommt mit einem Zimmerschlüssel zurück.
Kein besonders schönes Zimmer, Motelstandard halt, aber um Klassen besser als ein Bett in diesem Miller'schen Irrenhaus. Nina und ich lassen uns auf die Matratzen fallen. Es ist kurz nach vier Uhr morgens. Was für eine Nacht. Sailor »inspiziert« noch schnell das Badezimmer, während ich meine Schuhe ausziehe und fast auf der Stelle einschlafe. Eine zehntel Sekunde später schrecke ich panisch in die Höhe.
»Ruth!!! Shit! Wir haben Ruth vergessen !«
Nina sieht mich fragend an. Ich gebe ihr einen stichwortartigen Abriss meines Abends.
»... zuletzt habe ich sie also auf dem Kneipenklo gesehen«, beende ich meine Ausführungen.
Sailor kommt zurück. Ihm war genau dasselbe eingefallen. Wo ist Ruth?
»Ich fahr zurück ins Roadside ... oder nee, ich ruf erst mal an .« Sailor greift zum Telefonhörer des Moteltelefons und wählt eine Nummer. Es dauert unendlich lang, bis die Bedienung rangeht. Sailor fragt nach Ruth, lauscht in den Hörer, nickt und legt dann auf. Er schüttelt den Kopf.
»Sie ist nicht mehr da. Die Bedienung hat gesehen, wie Ruth mit irgendeinem Typen abgezogen ist !«
»Und nun ?« , will ich wissen, aber Nina legt ihren Finger auf ihre Lippen und fordert uns auf, leise zu sein.
»Hört ihr das auch? Ist das Ruth ?«
Wir lauschen angestrengt. Tatsächlich, aus dem Nebenzimmer sind Stimmen zu hören. Eine davon ist mit Sicherheit die unserer Freundin.
»O ja, o ja, o ja ... !« , hören wir Ruth von nebenan stöhnen.
10.Die Zeit nach Mitternacht
Und am nächsten Morgen kommt Ruth noch einmal. Es hat einen besonderen Reiz, statt von Vogelgezwitscher von einem kosakenchorlauten Lustkonzert geweckt zu werden. Und es besteht kein Zweifel, eine der Stimmen gehört unserer Freundin. Der druntergemischte Bass lässt auf einen männlichen Teilnehmer schließen. Und die ganz hellen Töne sind die Hilferufe des Bettgestells. Sailor schnarcht auf dem Sofa. Ihn haben die Ereignisse der Nacht in einen komatösen
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