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Alice@Hollywood

Alice@Hollywood

Titel: Alice@Hollywood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bunzel , Andreas Gaw
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Knarren ?«
    »Eigentlich nicht«, sagte Ruth nachdenklich. »Ich glaube auch nicht, dass ihr etwas passiert. Aber noch drei Wochen in diesem Land, und sie führt ihre Gehaltsverhandlungen mit einem Revolver .«
    Ruth bedankte sich bei Ron für seinen Einsatz, und beide rutschten durch diese unvermittelte Nähe in ein Gespräch, als würden sie sich schon jahrelang kennen. Ron war ein unkomplizierter Charakter, hatte einen Job, bodenständige Ansichten  und schraubte gern an Motorrädern herum, ohne einer biersaufenden Grölhorde anzugehören, die einen auf Easy Rider machte. Und er löste die Atmosphäre. Ohne sich an den Reinfall mit Bert, der Diavortrags-Knalltüte, zu erinnern, verguckte sich Ruth schon wieder in eine Aura, die dieses Mal aber definitiv besser angezogen war. Der Prozess des Dahinschmelzens wurde aufgehalten, als das Wort United Airlines in der Konversation auftauchte.
    »United Airlines?«
    »Ja«, bestätigte Ron. »Ein guter Freund von mir arbeitet bei denen. Nicht gerade in der Vorstandsetage, aber immerhin ...«
    Ruth fand das eine großartige Gelegenheit, den Blödmännern die Meinung zu sagen, weil die ihr Gepäck verschusselt hatten.
    »Ich ruf ihn an«, schlug Ron vor.
    Ruth knickte ein. »Lieber nicht. Er kann ja nichts dafür, nehme ich an .«
    »Aber er kann vielleicht rauskriegen, wo dein Gepäck geblieben ist .«
    Konnte er. Das Ganze' nahm nicht mal eine halbe Stunde in Anspruch, bis Ron mit der freudigen Mitteilung an den Tisch zurückkam. Er kletterte drei Stufen auf Ruths persönlicher Heldenleiter hinauf.
    »Und?«
    »Melville Airfield, Menominee.«
    Eine Stufe wieder runter.
    »Menominee? Das klingt nicht gerade wie das kulturelle Zentrum der westlichen Welt«, stellte Ruth ernüchtert fest. »Egal, wie viel Tage wir bis dahin brauchen, ich steige nicht auf ein Pferd !«
    »Eine gute halbe Stunde mit dem Auto«, sagte Ron aufmunternd.
    Ruth beförderte ihn mit einem dicken Kuss die Leiter wieder rauf. Auf der Fahrt nach Menominee stellten beide Vermutungen darüber an, wie Gepäck, das für New York bestimmt war, auf einen Provinzflughafen am äußeren Rand der Galaxis  landen kann. Nach Abzug aller Verschwörungstheorien blieb nur ein gepäckabfertigender Deutschenhasser übrig oder das Schicksal, das auf diese Weise zwei Menschen auf ihrem Weg an eben jenen äußeren Rand der Galaxis zusammenführen wollte.
    Das Melville Airfield war etwas kleiner, als sein Name nahe legte. Es verfügte nur über eine Kiosk-große Abfertigungshalle und den unschätzbaren Vorzug, Ruths Gepäck aufzubewahren. Wie zum Beweis seiner Daseinsberechtigung hatte der Kleinflughafen gerade eine Propellermaschine in Empfang genommen. Sie entließ ein dünnes Rinnsal Passagiere, das sich in die enge Box ergoss, die gleichermaßen als Ankunfts- und Abflugterminal genutzt wurde. Die vierzehn Personen darin stellten schon einen Tumult dar. Wohl auch deshalb, weil vor dem Gebäude nur ein einziges Taxi wartete. Strahlend vor Glück nahm Ruth ihre Reisetasche entgegen, leicht verstaubt, aber unversehrt. Am Griff hing ein Schildchen, das weithin hörbar »New York« brüllte, und Ruths Adresskärtchen in etwas dezenteren Tönen. Trotzdem musste Ron noch zweimal mit seinem Airlinekumpel telefonieren, um die Flugfeldangestellte von der Rechtmäßigkeit ihres Handels zu überzeugen. Und Ruth, man wollte ganz sichergehen, durfte sechs Formulare ausfüllen, in denen sie bestätigte, im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte zu sein und trotzdem darauf verzichtete, United Airlines mit einer Prozesswelle zu überziehen. Ruth kämpfte sich durch den idiotischen Fragenkatalog, und als sie damit fertig war, hatte sich die Terminalbox geleert. Die Uhr zeigte kurz vor zehn, die Fluggäste waren verschwunden und Ruths Reisetasche auch. Die Flugfeldangestellte rief einen schläfrig wirkenden Kollegen herbei, dessen Arme am Körper herumschlackerten, als seien die Nervenbahnen nicht mit dem Cortex verbunden. Seine Augenlider waren halb heruntergelassen, und seine Stimme ließ vermuten, dass sich eine Hirnhälfte bereits schlafen gelegt hatte. Er konnte sich daran erinnern, die Tasche gesehen zu haben. Es klang, als spräche er von einem Ereignis vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Er hatte

das Gepäck einer Logik zufolge, die nur er selbst nachvollziehen konnte, dem Glücklichen zugeteilt, der das Taxi ergattert hatte. Wofür, wie er langatmig beklagte, nicht mal Trinkgeld rübergewachsen war. Ruth nahm an,

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