Alice@Hollywood
Entschuldigung und ernte einen vernichtenden Blick von Herrman. Sailor rettet mich erneut. Er schiebt Ruth zwischen mich und die Laseraugen des Präparators und reicht mir meine Jacke.
»Ich fahre mit den Mädels in die Bar !« , bestimmt er, mit meiner vollsten Unterstützung. Am Abend vor dem großen Dorffest würde auf dem Festplatz eine Countryband spielen, und in der Stadt ginge schon richtig die Post ab.
»Nina! Kommst du auch ?« , rufe ich meiner Freundin zu, die inzwischen auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzt und eine Dokumentation über die heimischen Wildtiere des Bundesstaates Wisconsin schaut.
»Fahrt ihr nur«, antwortet Herrman für sie, »wir machen uns hier eine schöne Flasche Wein auf und sehen fern .«
Nina schaut mich müde an. Sie macht nicht den Eindruck, als wolle sie um die Häuser ziehen.
»Schon okay«, raunt sie mir zu, »ich trinke ein Glas Wein, dann fange ich an zu gähnen und geh ins Bett. Auf Bar hab ich eh keine Lust .«
Ich habe kein gutes Gefühl, doch als Heather sich zwischen ihren Mann und Nina aufs Sofa setzt und mir zuzwinkert, denke ich, dass es okay ist, wenn wir alleine losziehen.
Sailors Track ist eine rollende Müllhalde. Ruth sitzt auf einem guten Dutzend zerknüllter Zigarettenschachteln. Meine Füße stehen bis zu den Knöcheln in Kaugummipapier. Wir fahren eine Weile schweigend durch die Dämmerung. Dann fühlt Sailor sich genötigt, ein paar Worte über seine Familie loszuwerden. Wir sollten Herrman und Heather nicht so ernst nehmen. Die beiden lebten ziemlich zurückgezogen und kämen nur selten unter Menschen. Herrman habe sein eigenes Weltbild entwickelt, in das man entweder passt oder nicht. Und Heather habe ohnehin nicht viel zu melden.
»Im Grunde schon leicht verhaltensgestört, die beiden«, sagt Sailor grinsend. Und heute hätte sich Herrman noch zusammen gerissen, weil ihn Ninas Möpse angesprochen hätten. Normalerweise hätte er Ruth vor die Tür gesetzt, als sie ihr Brötchen direkt in die Knoblauchsauce tunkte. So was seien keine Tischmanieren.
»Ein Wunder, dass ich so normal bin«, beendet Sailor seine Erläuterung und rülpst laut, in einer Art kleiner Rebellion gegen seinen Vater.
»Und du ?« , will Ruth wissen, »du hast dann wohl gar nichts von deinem Daddy übernommen?«
»Doch. Sein unglaubliche Potenz !« , gibt Sailor feixend zurück.
Danach erklärt er uns, dass er seinen Vater erst vor kurzem kennen gelernt hat. Sailor ist das Produkt einer ausgelassenen Siegesfeier des örtlichen Soccerclubs, bei dem Herrman sich mit Francine, der Bedienung aus der Roadside-Bar, auf dem Flipper im Hinterzimmer vergnügt hat. Sie wurde schwanger und bekam von Herrman ein Kind. Doch das habe sie ihm jahrelang verschwiegen. Sie habe Sailor allein großgezogen. Francine sei vor achtzehn Monaten gestorben. Von seiner Herkunft hat Sailor erst in dem Testament seiner Mutter erfahren. Seitdem lebt er bei Herrman und Heather.
»Aber nicht mehr lange«, fügt Sailor entschuldigend hinzu, »wer in meinem Alter noch zu Hause wohnt, hat ja irgendwie auch einen an der Semmel .«
Herrmans Seitensprungprodukt parkt den rostigen Truck vor einer Bar. Etliche ebenso heruntergekommene Wagen stehen in wilden Reihen auf dem schlammigen Parkplatz. Diverse Neonschilder in den matten Fensterscheiben flackern. Vom ursprünglichen Namen der »ROADSIDE BAR« blinkt nur das »ADSI«. Das Innere der Kneipe ist ein langer Schlauch mit ebenso langer Theke. An deren Ende, etwas oberhalb eines gut gefüllten Whiskeyregals, läuft ein Fernseher. Männer in karierten Hemden sitzen davor und schauen ein Footballspiel. Gegenüber der Theke stehen zwei Billardtische, an denen die Dorfjugend versucht, die »Farbe des Geldes« zu erraten. Sailor rückt Ruth und mir einen Barhocker zurecht. Zuvorkommend bestellt er bei der dickbusigen Bedienung drei Bier. Sie winkt und gibt unserem Begleiter »thumbs up«. Offenbar hält sie Ruth und mich für Sailors neue Eroberungen. Ruth fragt nach der Toilette. Sailor deutet auf drei Türen am Ende des Schlauches.
»Ganz rechts ist für Ladies, in der Mitte für Cowboys, und links steht der Flipper, auf dem ich gezeugt wurde .« Stolz fügt er hinzu: »Und der funktioniert immer noch wie eine Eins !«
Als Ruth mich fragt, ob ich sie zur Toilette begleite, fällt mir auf, dass ich meine Handtasche im Track vergessen habe. Sailor, jetzt mal wieder ganz der Gentleman, erklärt sich bereit, sie zu holen. Ruth und ich gehen nach hinten. Das
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