Alice@Hollywood
damit einen Hieb verpasst. Er solle die Finger von seinem Girl lassen, kommentiert Sailor seinen Schlag. Das gefällt dem Naturburschen ganz und gar nicht. Geistesgegenwärtig verpasst er Sailor einen Punch in die Magengrube. Sailor taumelt. Es sieht so aus, als wolle mein selbst ernannter Lehrer nachtreten. Doch das tut er nicht. Auch Sailor macht keine Anstalten, die Prügelei fortzusetzen. Stattdessen schauen beide entschuldigend zur Bedienung und geben ein einvernehmliches »Sony« von sich. Die Bedienung nickt. Sie deutet mit dem Kopf zur Eingangstür.
»Es geht draußen weiter. Komm mit !« , jappst Sailor und verlässt mit dem anderen Kämpfer die Bar.
Ich schaue den Jungs nach. Erst als zwei, drei weitere Cowboys die Bar verlassen, setze ich mich auch in Bewegung. An der Theke greife ich meine Handtasche und gebe der freundlichen Bedienung ihren Lippenstift zurück. Sie lacht, drückt mir die Daumen, auf dass »mein Held« gewinne. Vor der Bar schlägt sich Sailor inzwischen alles andere als heldenhaft. Anscheinend hat er dem Holzfäller zwar eine blutende Nase verpasst, aber nun haben ihn zwei Freunde des Waldschrats im Schwitzkasten. Der Mann im Karohemd lässt seine Faust erneut in der Magengegend von Sailor verschwinden. Steves Halbbruder krümmt sich vor Schmerzen.
»Stop it !« , schreie ich aus Leibeskräften, was die Jungs zumindest für ein paar Sekunden davon abhält, den armen Kerl weiter zu verprügeln. Aber eben nur für ein paar Sekunden, dann lacht mir der Schläger munter zu und schwingt seine Faust aufs Neue.
»In deiner Handtasche !« , gluggert es aus Sailors Kehle, »fass in deine Handtasche!« Ich weiß zwar nicht, warum, tue aber, was er verlangt.
Meine Hand ertastet kaltes Metall. Ich fördere eine Pistole zu Tage. Ach, du Scheiße, was soll ich denn damit.
»She's got a gun !« , bemerkt einer der Schwitzkastenjünger richtig.
Der Waldschrat dreht sich um. Drei Schritte, und er ist bei mir. Geistesgegenwärtig reiße ich die Waffe hoch. Wie war das doch noch gleich in den Amifilmen?
»Freeze !!!« , fauche ich ihn an.
Sailor erklärt den beiden Gefolgsleuten, dass sie ihn loslassen sollen, wenn sie nicht wollen, dass Alice aus Good Old Germany ihnen ein sauberes Loch in den Schädel ballert. Man könne auch anders, im »alten Europa«. Oh Mann, worauf habe ich mich da nur eingelassen. Die Kerle lösen ihre Umklammerung. Sailor kommt frei. Er geht vorsichtig am Karohemd vorbei auf mich zu. Blitzschnell schießt das Bein des Holzfällers nach vorn. Sailor stolpert und landet auf seiner ohnehin schon blutenden Nase. Meine Schrecksekunde versucht der Typ auszunutzen, macht einen Schritt auf mich zu und greift nach meinem Handgelenk. Ich habe das Gefühl, neben mir zu stehen und mich zu beobachten, wie im Traum. Mein Daumen spannt den Hahn. Ich betätige wie in Trance den Abzug. Bang!!! Ein Schuss. Bang!!! Ich feure drauflos, wie vor ein paar Tagen im Kürbisfeld. Mit jedem Schuss lasse ich Steve und meine verwirrten Gefühle ein Stück hinter mir. Die Scheibe eines parkenden Kleinlasters geht zu Bruch. Sailor springt auf, packt mich und verfrachtet mich auf die Ladefläche seines Pickups. Allmählich komme ich zur Besinnung. Noch ehe die Kerle reagieren können, sitzt er auf dem Fahrersitz, startet und braust los. Ich ballere noch einmal in die Luft, was unsere Verfolger zum Aufgeben bringt. Als das Magazin leer ist, bin auch ich am Ende. Doch irgendwie fühle ich mich sehr erleichtert. Ich habe meine Träume von einem Leben mit Steve zerschossen wie Luftballons, auf dem Jahrmarkt.
Ein paar Meilen weiter hält Sailor an, um mich nach vorne zu holen. Ich zittere am ganzen Körper. Erst jetzt wird mir allmählich klar, was da eben vor der Bar passiert ist. Dort waren keine Luftballons und in dem Revolver auch keine Platzpatronen. Ich fange an zu schluchzen. Sailor tröstet mich, ich hätte meine Sache echt toll gemacht.
»Scheiße Mann, ich mache hier doch nicht einen auf schießwütiges Cowgirl, oder was! Ich hätte jemanden töten können. Was sollte denn die Scheiße da eben ?«
Sailor will mich in den Arm nehmen. Meine Antwort darauf ist ein hilfloses Fäustetrommeln gegen seinen Oberkörper. Nachdem ich mich beruhigt habe, erklärt Sailor, dass er schon seit langem Stress mit diesem Holzfäller hat. Seit Sailor ihm vor einiger Zeit mal die Freundin ausgespannt hat, warte der nur auf eine Revanche. Und als er ihn heute Abend in der Bar sah, hätte er schon geahnt, dass
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