Alice at Wonderland
stand in meiner Küche eine riesige Mülltonne. Die Dinger, in die man eigentlich die Küchenabfalleimer entleert und die üblicherweise nur von zwei Muskelbergen der städtischen Müllabfuhr auf der Straße hin- und hergewuchtet wer den. Wie sie die Tonne in die Wohnung geschleift hatte, blieb ein Rätsel. Bezahlen musste das Ungetüm allerdings ich, und seitdem brauche ich nur noch einmal im Jahr den Müll runterbringen.
Ähnlich desaströse Auswirkungen hatte meine Bit te-, mir eine TV-Programmzeitschrift mitzubringen. Nur unter größter Anstrengung konnte ich zwei Kerle davon abhalten, mir einen gewaltigen 100-Hertz-StereoFarb fernseher ins Wohnzimmer zu packen. Delilah bedauerte das, weil sie meinen Fernseher zu klein fand. Sie verbringt nämlich einen guten Teil ihrer Arbeitszeit mit der Suche nach englischsprachigen Unterhaltungssendungen.
Ich habe sie nie mehr um etwas gebeten und mich damit abgefunden, dass mein Reich alle vierzehn Tage für zwei einhalb Stunden in ihres verwandelt wird.
Wie alle Putzfrauen hat Delilah eine natürliche Abnei gung gegen Unordnung. Deswegen finde ich es nur fair, wenn ich, bevor sie kommt, schon mal das Gröbste erle dige. Ich kenne Leute, die Partys grundsätzlich am Vorabend des Putztages veranstalten, alles stehen und liegen lassen und ihren Rausch bei einem Bekannten ausschlafen. Ich finde das in hohem Maße unsensibel. Das reduziert die Putzfrau auf eine reine Dienstleisterin, wo sie doch eigentlich mehr ein Familienmitglied ist. Was schon allein dadurch deutlich wird, dass man sich den Inhalt des Kühl schranks und das Telefon mit ihr teilt. Und wieso auch nicht. Immer noch besser, als die Hälfte der Lebensmittel vergammeln zu lassen. Und sooo teuer sind gelegentliche Anrufe in Manila auch nicht. Delilah ist weit davon ent fernt, mich auszunutzen. Sie wählt stets den billigen Call-by-call-Tarif.
Für solche Party-Kunden hat Delilah nur Verachtung übrig. Sie hatte mal so einen, bei dem sie ihr Lieblingswort nur im direkten Zusammenhang mit dem Substantiv »Schwein« benutzt. Oder »Swein«, wie sie es ausspricht. Ich dagegen bin »groß gute Frau«, und das haben zum Beispiel meine eigenen Eltern noch nie zu mir gesagt. De lilah ist für mich eine Art Teilzeit-Schwester geworden, und sie hat damit auch ein Minimum an Aufmerksamkeit
verdient. Auch, wenn ich den Tag eigentlich damit zubrin gen wollte, einem Date entgegenzufiebern.
Aber so bereite ich schon mal ihr Mittagessen vor, so dass sie es sich nur noch warm zu machen braucht. Danach spüle ich das schmutzige Geschirr, immerhin hab ich es ja schmutzig gemacht und nicht sie. Danach wische ich kurz über die Arbeitsfläche und den Tisch. Da ich den Boden mit etwas Soße bekleckert habe, kommt auch der schnell dran, noch mal ruckzuck mit dem Staubsauger drüber, fertig. Das Putzen, stelle ich dabei fest, hat einen faszinieren den Effekt. Sobald eine Arbeit erledigt ist, entdeckt man hier noch ein Krümelchen, dort noch einen Fleck, hier etwas Staub. Wo ich also gerade den Staubsauger in der Hand habe, gehe ich damit noch mal eben durch die ande ren Räume, wische den Staub von den Möbeln, reinige die Fensterbretter und ja, die Fenster selbst sind auch schon ganz schön schmierig. Husch, den Wassereimer her, ist ja nicht die Welt. Das gilt auch für alle übrigen Fenster.
Als ich einen Blick ins Bad werfe, muss ich mich doch schwer über mich selbst wundern. >Was für eine ungeheure Schlampe du doch bist, Alices sage ich zu mir. Die Kacheln sind stumpf, Haare in der Badewanne, der Wä schekorb könnte auch etwas ordentlicher dreinschauen. Nach nur einer Stunde blitzt das Bad, dass es in den Augen schmerzt. >So kann man da wenigstens jemanden reinlas sen<, lobe ich mich stolz. Jetzt nur noch das Schlafzimmer, und das Parkett in Wohnzimmer und Flur muss noch ge wischt werden. Das zieht sich ein bisschen, weil das emp findliche Holz mit einer Spezialpolitur behandelt werden muss, die ich nur auf allen vieren durch die Wohnung rutschend einigermaßen gleichmäßig verteilen kann.
Zehn Minuten, bevor Delilah aufkreuzt, hat >groß gute Frau< schon mal ein wenig vorgearbeitet. Ich setze ihr noch einen Kaffee auf und schnappe mir eine Jacke, um die Wohnung zu verlassen. Delilah zieht es vor, während der Arbeit allein zu sein. Was verständlich ist. Wer mag es
schon, wenn einem dauernd einer im Weg steht? Außerdem sähe es so aus, als wollte ich kontrollieren, ob sie für ihr Geld überhaupt was tut.
Das Telefon
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