Alice at Wonderland
zu haben. Ich freue mich auf morgen, schreibe ich schnell zurück.
Geht alles klar. Nur das Cafe Viola kommt mir als Treffpunkt nicht nochmal in Frage. Dann keimen in mir wieder einmal die altbekannten Problemchen auf. Was soll ich morgen anziehen? Was, wenn er fett und hässlich ist? Würde mich das abschrecken, oder bin ich schon so weit, dass ich die innere Schönheit erkenne? Fragen über Fra gen.
Es klingelt. Es ist Markus. Er will sich einen Schwamm und einen Eimer Wasser ausleihen. Der Kratzer sei mit Lackreiniger gut rausgegangen, aber er halte es für sinn voll, jetzt sofort den Wagen zu waschen. Dann hinterließe die Reinigungsflüssigkeit keine hässlichen Ränder. Er be kommt, was er braucht. An der Tür bleibt Markus dann doch noch einmal stehen und dreht sich zu mir um.
»Alice. Ich hab schon kapiert, dass du mich vorhin ver arschen wolltest. So blöd bin ich ja nun auch nicht. Aber du hast mir tatsächlich heute sehr geholfen. Ich habe gelernt, dass ich ein echt schwerer Fall bin. Aber ich habe auch gemerkt, dass ich nicht über meinen Schatten springen kann ...« Er gibt zu, dass er seine Attitüde Frauen gegen über nie ganz loswerden wird. Und dass dieses softiemä ßige »Wir müssen darüber reden« nicht sein Ding ist. Er habe sich überlegt, vielleicht doch besser ein Versöhnungs video zu drehen. Allerdings nicht, um Nina zu zeigen, was er für ein toller Kerl sein, sondern damit sie erkenne, was sie ihm bedeute. Und er würde sich riesig freuen, wenn ich sein neues Drehbuch Korrektur lesen könnte, bevor er sich an die Dreharbeiten macht. Das verspreche ich ihm. Markus geht, und ich denke, dass ich vielleicht doch noch ein wenig Hoffnung auf einen Nobelpreis habe.
»Deine Titten fühlen sich übrigens geil an!«, höre ich Markus vom Flur her durch die geschlossene Tür brüllen. Na ja, denke ich, wer braucht schon einen Nobelpreis.
Der Fisch ohne Fahrrad
Entspannung heißt für mich: Ich habe einen ganzen Tag lang Zeit, mich darauf vorzubereiten, dass ich endlich Alex kennen lerne.
Das Gegenteil von Entspannung heißt Delilah Cruz campo.
Delilah Cruzcampo stammt von den Philippinen, und als ich das erste Mal von ihr gehört habe, dachte ich: >Was für ein Name. Ist bestimmt ein Fernsehstar.< Delilah ist Putzfrau, sie ist nur so teuer wie ein Fernsehstar. Und in etwa so allürenhaft. Ansonsten ist sie wie alle Putzfrauen: treu, ehrlich, zuverlässig, pünktlich und des Deutschen nicht ganz mächtig.
Sie hat mich von Anfang an durch ihre ungeheure Selbstsicherheit beeindruckt. Sie kam, um sich anheuern zu lassen. Nicht etwa, um sich vorzustellen und mir dann die Entscheidung zu überlassen. Ich wollte sie durch die Wohnung führen, sie wollte Kaffee. Statt meinen Erklä rungen zuzuhören, sagte sie immer nur: »Oh, toll, Frau. Und so groß.« Oder: »Wunderbar. Und so groß.« Ich kam erst nach zehn Minuten dahinter, dass sie mich da mit meinte und nicht meine Wohnung. Im Übrigen war alles »Nix Problem«, »Viel klar« und »Müsse nur die Ding da schieben«. Womit sie anscheinend ein Gerät zur Bodenreinigung meinte. Dann hat sie mich aus der Woh nung geworfen mit der eindeutigen Anweisung, doch in
zweieinhalb Stunden wieder zurück zu sein mit ihrem Geld.
Und bis heute bin ich sehr zufrieden mit ihr. Es gab nie Anlass zur Beschwerde und nur hin und wieder ein klei nes Missgeschick. Einmal brach aus unerfindlichen Grün den der Deckel meines kleinen Küchenabfalleimers ab. Natürlich war es nicht Delilah. Putzfrauen machen nichts kaputt. Das können sie gar nicht, das haben sie nicht in den Genen.
»Nix gut quality«, sagte sie. »Ich neues.«
Das fand ich in Ordnung, dass sie mir einen neuen be sorgen wollte.
»Ja, ja, ich neues«, wiederholte sie. »Aber nix klein. Der klein.«
Und sie zeigte verächtlich auf den kaputten Mülleimer, der absolut Single-Haushalt-tauglich ist.
»Groß«, betonte sie noch einmal.
»So einer reicht, Delilah«, sagte ich.
Das war das letzte Mal, dass ich gewagt habe, mit einer Putzfrau über Dinge zu diskutieren, die mit Sauberkeit zu tun haben. Eine halbe Stunde wuselte sie wild gestiku lierend in der Küche herum, jammerte, beschwerte sich, fiel bisweilen in ihre Heimatsprache, wohl, damit ich die Beleidigungen nicht verstünde, die sie mir an den Kopf warf. Sie machte mir dann zum Vorwurf, dass ich ja wohl gar nichts verstünde, und bestand permanent auf »Groß!« Das ist ihr Lieblingswort.
Ich gab mich geschlagen, und am selben Abend
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