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Alice at Wonderland

Alice at Wonderland

Titel: Alice at Wonderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bunzel Gaw
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schon historischen Wert, aber ich fahre gern damit. Für die sechs Kilometer zum Büro brauche ich kein Mountainbike. Ich habe keine Lust, mich, nur weil es gerade angesagt ist, mit Gerät auszustatten, als müss te ich tagtäglich einen mittelschweren Gebirgspass überqueren.
    Für meine Hausärztin bin ich trotzdem ein Wrack. Sie ist leidenschaftliche Joggerin und benutzt gern die For mulierung »an die Schmerzgrenze gehen«. Ich hatte im mer gedacht, dass Ärzte von Berufs wegen gerade für das Gegenteil zuständig sind. Ihr fällt auch nicht auf, dass ich nur zweimal im Jahr bei ihr reinschaue, um mich durch checken zu lassen. Und sie hat mich noch nie wirklich be handeln müssen. Das scheint ihr nicht zu gefallen. Leute, die zum Arzt gehen, haben gefälligst krank zu sein. Sie konstatiert gönnerhaft, dass ich zwar »äußerlich« gesund sei, aber im Grunde noch viel gesünder sein könnte. Und dann denkt sie sich immer eine Reihe perfider Tests aus. Von den Werten, die sie mir dabei um die Ohren haut, habe ich noch nie etwas gehört. Ich glaube, dass sie auch nur für Leute interessant sind, die unbedingt Astronaut werden wollen.
    »Wenn man über dreißig ist, sollte man auf seinen Körper achten«, sagt sie wichtig.
    Ich bin noch nicht so weit über dreißig, aber aus ihrem Mund klingt das, als stünde ich schon mit einem Bein im Grab. Dann taugt mein Lungenvolumen eben nur für einen Zwanzig-Sekunden-Tauchgang. Wozu gibt's Aquarien?
    Gut, ich fühl mich ein bisschen schlapp in letzter Zeit. Aber das ist rein psychisch. Kein Wunder, dass ich den Eindruck habe, nicht mal einen Bleistift heben zu können, wenn alle um mich herum so tun, als befänden sie sich dauerhaft in einem Trainingslager. Es ist das schlechte Ge wissen. Ich gehöre einer Generation an, die ein Fitness- Studio als zweiten Wohnsitz unterhält. Für uns wurde der Begriff Wellness erfunden. Wir streichen uns keine Mar garine aufs Brot, sondern ein Halbfett-Präparat mit ro ten VitAktiv-Bröseln drin. Da ist doch eine Goldmedail le schon in Reichweite. Es macht auch nichts, wenn wir auf das derart VitAktiv-beschmierte Frühstücksbrötchen noch eine pampdicke Nuss-Schokoladen-Mischung auf tragen. In einem Werbespot versichert uns eine Hochleis tungssportlerin glaubhaft, dass das Zeugs außer »Down- hill«-fahren und Skiabfahrtslauf das Einzige ist, was wir noch zu einem gesunden Leben brauchen. Vorausgesetzt, wir sind in unserer Jugend regelmäßig von zwei älteren Brüdern verprügelt worden.
    Unglücklicherweise habe ich eine Arbeitskollegin, die praktisch alle Sportarten beherrscht und mich unbedingt zu acht davon überreden will. Britta ist für den Inter net-Newsteil verantwortlich, und offensichtlich passiert in der Welt da draußen rein gar nichts. Denn sie hat jede Menge Zeit, auch noch den verstecktesten Muskel ihres Körpers zu trainieren. Britta macht alles und einen guten Teil davon möglichst gleichzeitig. Bungeejumping erle digt sie vor dem Frühstück zum Aufwärmen. Dann Ma rathonlauf, Freeclimbing, Squash, Tennis, Snowboarden und noch was Unaussprechliches wie Canyoning. Das ist so was Ähnliches wie Wildwasserfahren in eiskalten Gebirgsbächen, aber ohne Boot. Zwanzig Stunden am Tag steckt Brittas wohlproportionierter Körper in einem multifunktionalen Sportdress. Die anderen vier Stunden macht sie ihren Freund im Bett fertig. Für so was Luschi ges wie gelegentliches Saunen und meine täglichen zwölf Kilometer Radfahren ins Büro und zurück hat sie nur ein müdes Lächeln übrig.
    »Du rauchst zu viel und bewegst dich zu wenig«, sagt sie zu mir.
    Leider kann ich sie nicht wegzappen. Sie ist völlig ver schwitzt. Wahrscheinlich kommt sie gerade von der Ral lye Paris—Dakar zurück, um mich auf einen fatalen Fehler aufmerksam zu machen. In einer schwachen Stunde habe ich nämlich zu ihr gesagt: »Okay, wir können ja mal zu sammen einen Trainingstag machen.« Das hieß übersetzt: »Ich sag das jetzt mal so, aber erinner dich bloß nicht dran.«
    Beim Thema Sport braucht man Britta aber nicht mit feinsinnigem Subtext zu kommen, da nimmt sie alles wört lich. Ich hätte es wissen müssen. Und ausgerechnet am heiligen Sonntag steht jetzt diese Weltrekord-Maschine in meinem Flur und erwartet, dass ich mich in ein ähnlich schreibuntes Kostüm wie sie klemme, um mal eben ein paar Runden zu drehen.
    »Mit mir ist alles in bester Ordnung«, entgegne ich.
    »Ach, Blödsinn, du wehrst dich nur. Das ist nur eine Frage der

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