Alice at Wonderland
Überwindung. Du musst deinen inneren Schweinehund besiegen!«
»Solange er schläft, komm ich prima mit ihm aus.«
»Dann werden wir ihn eben wecken.«
»Können wir das nicht mit einer Tasse Kaffee erledi gen?«
Ich mache einen halben Schritt in Richtung Küche, um sie tiefer in die Wohnung zu locken. Sie bleibt stehen.
»Killer Nummer eins«, sagt sie trocken, »wie viel trinkst du?«
»Zwei Tassen«, lüge ich.
»Ich meine, nach sieben Uhr morgens.«
»Okay, okay«, sage ich ertappt. »Vielleicht was anderes? Ich hab auch Lindenblüten-Tee.«
»Jetzt stell dich nicht so an«, mault sie ungeduldig und schaut vorwurfsvoll auf ein Ungetüm an ihrem Handge lenk, dort, wo sich eigentlich eine zierliche Armbanduhr befinden sollte. In dem Ding stecken bestimmt noch ein Kompass und ein Laktatwertemesser. Wenn Britta zu lan ge sinnlos herumsteht, erreicht ihre Kohlenhydratkonzentration ein kritisches Level. Ein Reaktor ohne Über druckventil.
»Und außerdem«, sagt sie, »will ich dich ja nicht um bringen.«
Das bezweifle ich. Ich überlege kurz, ob ich mich herausreden soll mit dem besten Satz, der uns Frauen schon seit Anbeginn aller Zeiten zur Verfügung steht: »Ich hab nichts anzuziehen.«
Das wäre nicht mal gelogen. Das einzige Stück in mei nem Kleiderschrank, dass mit Brittas Aufzug mithalten kann, sind knallrote Lack-Hotpants, die ich mir mal für eine Seventies-Party gekauft habe. Das Ding an Brittas Handgelenk fängt an zu piepsen. Ich muss da durch. Um zu verhindern, dass Britta noch in meiner Wohnung ex plodiert, ziehe ich mir die alte Jeans über und ein ebenso altes, bedrucktes T-Shirt der Kategorie »fanden wir da mals echt witzig«. Ich verrate aber nicht, was drauf steht. Ist mir zu peinlich. Britta wohl auch. Sie verdreht die Augen, und ich verbiete ihr nur mit einem Blick jeden Kom mentar. Ich brauche jetzt am wenigsten die Belehrung, dass mein Dress rein schweißverdunstungstechnisch ab solut nicht optimal ist. Stattdessen beschließe ich, keck zu werden.
»Was machen wir als Erstes?«
Das zieht. Immerhin rutscht eine von Brittas Augenbrauen anerkennend in die Höhe.
»Wenigstens hast du die richtige Einstellung«, und schon ist sie windhundschnell die Treppen hinunter auf die Straße. Ich hole sie drei Blocks weiter ein, am Ende meiner Kräfte. Mit Mühe kann ich sie davon überzeugen, dass Sprints nicht so meine Stärke sind, wir wohl erst mal die richtige Sportart für mich herausfinden sollten und das vor allem im Sitzen.
Ein paar Minuten später versorgt mich Benny, der ein zige nette Kellner im Cafe Dezentral, mit dem dritten Glas Wasser.
»Echt witzig, das T-Shirt«, bemerkt er mit schiefem Lächeln, womit er andeutet, dass genau das Gegenteil der Fall ist.
»Danke«, kommt es hauchdünn aus meiner Kehle. »Und noch ein Wasser, bitte.«
Benny darf mich so schief anlächeln. Er ist schwul.
»Okay«, sagt Britta aufgeräumt, »was sind deine Stär ken?«
»Walking«, sage ich, die Lebensgeister zurückerwartend, »und Trivial Pursuit.«
Natürlich nimmt sie beides nicht ernst und fährt fort: »Also erst mal die Basics. Kraft oder Ausdauer?«
»Nicht so mein Ding«, wehre ich ab. Riecht beides unsympathisch nach durchnässten Trainingsklamotten. »Federball find ich gut.«
»Du meinst Badminton?«
»Nein, ich meine Federball. Völlig entspannt, im Sommer, im Park«, und ich setze betont hinzu: »Zum Spaß!«
Britta sieht sich genötigt, weiter auszuholen und teilt die Menschheit in Typklassen auf, absteigend nach ih rer Leistungsfähigkeit. Demnach stehen ganz oben die Triathleten - Marathonlauf kombiniert mit einer Etappe Tour de France und einige Kilometer Schwimmen in to bender Brandung -, dann kommen die Medaillenränge aller Sportarten, bei denen man sich die Gräten brechen kann. So gerade ihre Anerkennung findet noch Rugby. Dann folgen die so genannten »schwulen« Sportarten wie Bowling, was sie wegen Bennys gelegentlichem Vorbeihu schen taktvoll mit gedämpfter Stimme vorträgt. Und am unteren Ende der Skala sitzt der Low-Energy-Typ, also ich. Nachdem wir alles, was für mich infrage kommen könnte, durchgegangen sind, bleibt eigentlich nur Trivial Pursuit übrig.
»Sag ich doch.«
»Quatsch«, poltert sie dazwischen, »du willst dich doch nicht so rausreden wie die Typen, die behaupten, Schach sei ein Sport?!« Doch, will ich, aber nicht laut. »Hör mal, wir wollen was für deinen Körper tun. Du bist dreihun dert Meter spaziert und siehst aus, als kämst
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