Alice at Wonderland
ca. fünfzig krei schenden Teenagern belagert, die mit Kuschel tieren nach ihm geschmissen haben. Noch vor ein paar Jahren, damals bei Take That, hätte er bestimmt seine Koffer weggeworfen und ange fangen, mit den Teddys zu spielen. Anyway. Dann musste ich los, denn mein Anschlussflug nach
New York wurde aufgerufen. Aber davon kann ich dir ja später mal schreiben. Allmählich bekomme ich Krämpfe in den Fingern und eine Sehnen scheidenentzündung. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt so viel am Stück getippt habe. Normalerweise war die Durchschnittslänge mei ner Korrespondenz maximal zehn Zeilen. Aber bei dir ist das etwas anderes. Es ist wirklich schön, dass du dieses Single-Kochbuch ausgerechnet bei mir geordert hast. Sonst hätte ich womöglich so schnell nicht wieder erfahren, wie toll es ist, sich mit jemandem richtig gut zu verstehen. Jetzt muss ich allerdings wirklich ins Bett. Bis bald! Alex
Meine Güte. Es ist schon fast zwei! Wenn ich sofort einschlafe, habe ich fünfeinhalb Stunden Schlaf. Ich fahre den Computer runter und entscheide, heute aufs Zähneputzen zu verzichten. Meine Bettdecke ist kalt, und es dauert eine Weile, bis ich mich warm gezittert habe. Halbwegs, jeden falls. Alex ist echt klasse, denke ich. Ich hatte schon lange kein so gutes Gespräch mehr, oder besser gesagt »Gemail«. Hätte nie geglaubt, dass es jemanden gibt, der in so vielen Dingen die gleiche Wellenlänge hat wie ich. Andererseits, überlege ich, vielleicht ist er ja auch nur besonders raffi niert. Greift Details aus meiner Post auf, tut so, als sähe er die Dinge ähnlich, und versucht, sich bei mir einzuschleimen. Ich kenne ihn ja überhaupt nicht. Wer weiß, was für einer dahinter steckt. Meine Gedanken verselbständigen sich, und ich muss mich zwingen, der freien Assoziationskette in Richtung Perverser und Massenmörder Einhalt zu gebieten. Blödsinn. Alles Blödsinn. Schließlich hat Alex ja von sich aus Sophie B. erwähnt, und dass ich regelmäßig Beschwerdebriefe an Fernsehsender schreibe, konnte er auch nicht wissen.
Meine Füße sind nach wie vor kalt, und ich liege noch .immer wach. Außerdem habe ich diesen pelzigen Rot weingeschmack auf der Zunge. Vielleicht hätte ich mir doch besser die Zähne putzen sollen. Mein Wecker zeigt halb drei. Oh mein Gott. Noch fünf Stunden Schlaf. Ich werde morgen so alt aussehen wie Mutter Beimer, nach dem Hansemann sie verlassen hat. Es hilft nichts. Mit dem Geschmack im Mund werde ich nie einschlafen. Also gehe ich ins Bad und putze die Zähne. Der Geschmack von Crest Ultramint ist da schon besser, macht mich aber irgendwie wach. Man sollte neue Zahncremes erfinden: auf Sekt-Basis, zum Munterwerden, und mit Baldrian, für abends, zum Einschlafen.
Zurück im Bett, fällt mir auf, dass ich eigentlich noch mal auf die Toilette müsste. Verdammt. Ich war doch gerade im Bad. Hätte mir vielleicht auch fünf Minuten eher einfallen können. Soll ich oder soll ich nicht? Die Ent scheidungsfindung kostet mich weitere zehn Minuten kostbarer Nachtruhe, und meine Blase gibt schließlich ein eindeutiges Votum ab. Auf dem erneuten Weg ins Bad knalle ich im Dunklen mit dem Schienbein gegen meine Kommode. Klasse. Jetzt bin ich richtig wach und habe zu dem noch einen satten Bluterguss.
Um drei liege ich wieder unter der Decke. Okay. Mach die Augen zu, Alice, denk an was Schönes, und dann schlummerst du sanft ein. Ich denke also daran, wie ich in einer einsamen Berghütte vor dem knisternden Kamin feuer liege und darauf warte, dass mein Traumprinz zu mir kommt. Dieses Bild habe ich mir schon tausendmal vor dem Einschlafen gezaubert, und es hat fast immer funktioniert. Mittlerweile weiß ich auch genau, wie die Hütte aussieht und durch welche Tür mein Lover kommen wird. Diesmal aber hält vor der Hütte ein kackbrauner Golf, und als ich aus dem Fenster sehe, zeigt mir ein Mann mit Lidl-Tüte den Mittelfinger.
Ich reiße die Augen auf. Es ist halb vier. Allmählich
werde ich sauer. Ich weiß zwar nicht genau, auf wen, aber zumindest auf den Umstand, dass ich entschieden zu we nig Schlaf bekommen werde. Außerdem ist mir immer noch kalt, und ich muss schon wieder aufs Klo.
Auf dem Rückweg aus dem Bad hole ich mir meine Ku scheldecke aus dem Wohnzimmer. Vor meinem Laptop halte ich inne. Vielleicht sollte ich Alex doch noch eine Mail schreiben. Nur so. Genau. Das mache ich. Wäh rend ich im Kopf vorformuliere, fahre ich den Computer hoch. >Lieber Alex. Ich kann nicht einschlafen
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