Alice at Wonderland
und habe über unsere Mail-Session von heute Abend nachgedacht. Es war echt klasse. Ich würde dich gerne mal persönlich kennen lernen.< Okay, denke ich, klingt akzeptabel. Nicht zu fordernd, aber auch nicht zu zurückhaltend. Ich gehe ins Mailprogramm. Und habe eine ungelesene Nachricht. Von Alex.
Liebe Alice!
Ich kann nicht einschlafen und habe über unse ren Briefwechsel nachgedacht. Es hat richtig viel Spaß gemacht. Danke. Schlaf schön ... Alex!
Wir scheinen wirklich auf der gleichen Wellenlänge zu sein.
So langsam habe ich das Gefühl, dass sich aus unserer Mail-Beziehung noch was entwickeln kann und wir uns möglichst bald treffen sollten.
tippe ich in den Computer. Die Buchstaben fangen an zu tanzen und die Kommas wegzuschießen. So langsam habe ich das Gefühl, der Wein steigt mir zu Kopf, und der Schlafentzug gibt mir den Rest. Ich denke, ich werde jetzt nichts überstürzen. Also lösche ich die Zeilen wieder und gehe zurück ins Bett.
Soll ich ihm wirklich vorschlagen, sich mit mir zu tref fen?, überlege ich. Im Grunde weiß ich ja noch viel zu we nig über ihn. Vielleicht sieht er aus wie Gollum und zischt beim Sprechen, sodass mir seine Spucke ins Gesicht fliegt. Vielleicht ist diese ganze Mailerei doch nur Teil eines gro ßen Plans, und er ist der Enkel von Fritz Hamann, der das Werk seines Großvaters vollenden will. Vielleicht ist er ... vielleicht ist er aber auch nur einfach supernett. Und findet mich auch nett. Und vielleicht sieht er auch echt gut aus. Kann ja sein. Zufrieden lege ich mich auf meine Einschlafseite. Mit etwas Glück bekomme ich noch dreieinhalb Stunden Schlaf. Das könnte reichen.
In wenigen Sekunden liege ich auch schon wieder vor dem Kamin in der Berghütte. Diesmal hält kein Golf vor dem Fenster. Sondern ein überaus gut aussehender Mann, mit nichts weiter als einem Handtuch bekleidet, betritt den Raum. Er lächelt mich an, und während er das Hand tuch langsam öffnet, sagt er: »Hi, ich bin Alex!« Nicht einschlafen, denke ich noch, bitte jetzt nicht einschlafen. Himmel, gleich gleitet das Handtuch nach unten, und ich schlafe womöglich ein ... doch da sinke ich auch schon in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
P0RN0-JENNY
Als ich mich um meinen Job als Online-Redakteurin beworben habe, wurden mir nur zwei Fragen gestellt. Die erste lautete: »Sind Sie stressresistent?« An Tagen wie diesem weiß ich, warum. Auf meinem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit, vormittags fällt mir die dankbare Aufgabe zu, unseren neuen Abteilungsleiter vom Flughafen abzuholen, anschließend Redaktionssitzung, bis dahin hat sich der Berg auf meinem Tisch nur unwesentlich verkleinert, am Nachmittag stellt sich dann der Abteilungsleiter sei nen neuen Mitarbeitern vor, anschließend ein Update-Ma rathon am Computer, weil die Website auf den neuesten Stand gebracht werden muss, noch ein Meeting und wie der ran an den Schreibtisch. Und das nach drei Stunden Schlaf. Ich würde meinen Chef gerne fragen, wie zum Donnerwetter ich mir unter solchen Umständen in Ruhe ein Cocktailkleid kaufen soll. Die zweite Frage war übrigens: »Hab ich das gerade richtig verstanden?« Ich hatte gerade meine Honorarforderung gestellt und habe diese Frage wie auch die erste bejaht. Eines meiner größten Pro bleme: Ich kann halt nicht nein sagen.
Der Trick bei solchen mit Arbeit voll gepackten Tagen ist eine optimale Zeiteinteilung. Keine Minute darf unge nutzt verstreichen, alles muss nahtlos ineinander greifen. Früher als gewöhnlich sitze ich daher vor einer Tasse Kaf fee und blättere in der Gala. Mein Blick bleibt an einem schicken Kostüm hängen, Abteilung offizielle Anlässe. Irgendetwas daran löst eine leise Nervosität in mir aus, bis mir einfällt, dass ich bei der Zeitoptimierung des gestrigen Tages vergessen habe, mein schickes Kostüm, Abteilung offizielle Anlässe, aus der Reinigung zu holen. Es ist das einzige Kleidungsstück, das für meine Funktion als Eskor te des neuen Abteilungsleiters infrage kommt. Mist, in die Reinigung und zurück kostet mich eine Stunde extra, eine halbe, wenn ich mich erst auf der Flughafentoilette umziehe. Okay, denke ich, das lässt sich bestimmt irgendwo auf holen und gibt mir so die Muße, noch mein Horoskop zu lesen. Nichts kann Ihnen etwas anhaben. Sie sind die Ruhe selbst. Na, wer sagt's denn. Wäre ich nur 14 Tage später geboren und ins nächste Sternzeichen gerutscht, bekämen Sie heute eine Vorstellung davon, was der Begriff Desaster wirklich bedeutet.
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