Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
zum Thema Arbeit: Du hast dich irgendwann in den meistbeschäftigten Menschen in der westlichen Hemisphäre verwandelt, aber nicht, weil dieser PR-Scheiß dir so verdammt wichtig ist, sondern weil du so eine gute Entschuldigung hast, nicht unter Menschen zu gehen. Denn würdest du das tun, könntest du doch glatt ein bisschen Spaß haben ! Du könntest tatsächlich Sex haben und einen Mann zum Heiraten und Kinderkriegen finden, und du könntest alles bekommen, was du dir wünschst. Wenn du das wirklich so dringend herbeisehnst, warum schaltest du dann nicht mal um sechs den Rechner aus wie jeder normale Mensch und gehst ein bisschen raus? Du musst dich endlich mal wieder flachlegen und besinnungslos vögeln lassen, Kate! So lange, bis dir endlich die Augen aufgehen und du merkst, was aus dir geworden ist!«
Dann war es plötzlich still.
Peinlich berührt griff Kate nach ihrer Tasche und ging zur Tür.
»Wir sind keine zwanzig mehr«, sagte sie leise. »Wir sollten nicht mehr so aneinanderkleben. Alle beide müssen wir den nächsten Schritt im Leben machen. Jetzt.«
Und damit schlüpfte sie zur Tür hinaus und zog sie hinter sich behutsam ins Schloss.
»Je eher du mit deinem Langeweilermann und deinen zweieinviertel Kindern verschwindest, desto besser!«, schimpfte Lou ihr böse hinterher. »Dann ist verdammt noch mal endlich Ruhe!«
Sie hörte, wie Kates Schritte im Flur widerhallten. Zitternd zog sie an ihrer Zigarette. Es war bedrückend still in der Wohnung.
Alice
A lice fiel es schwer, positiv zu denken. Mühsam arbeitete sie ihre montägliche Anrufliste ab und hörte sich die detaillierten Schilderungen ihrer Klienten an, die von den wunderbaren Verabredungen berichteten, die sie am Wochenende erlebt hatten. Alice ertappte sich dabei, dass sie irgendwann gar nicht mehr zuhörte.
Es war ein grässliches Wochenende gewesen. Nachdem John die Bombe hatte platzen lassen, hatte sie überhaupt nicht mehr gewusst, was sie denken oder fühlen sollte. Ihr erster Gedanke war gewesen, Ginny anzurufen, aber ihre Freundin war mit Dan übers Wochenende weggefahren, um »an ihrer Beziehung zu arbeiten«. Normalerweise half ihr das Gärtnern, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, aber diesmal funktionierte selbst das nicht. Und sie konnte auch nicht wie sonst zu Greenfingers gehen, aus Angst, John über den Weg zu laufen. Und sie hätte ohnehin nicht hinfahren können. Jemand musste versehentlich ihr Fahrrad angefahren haben, denn die Speichen am Vorderrad waren verbogen, und es schlingerte schrecklich.
Stattdessen saß sie wie angewurzelt auf ihrem Sofa und glotzte blöde alte Schwarzweißfilme, ohne irgendwas davon mitzubekommen. Wieder und wieder drehten ihre Gedanken sich im Kreis. Weinen wollte sie nicht, also schluckte sie entschlossen die Tränen herunter. Alle halbe Stunde klingelte ihr Telefon, doch sie rührte sich nicht vom Fleck. Sicher war es John, der alles aufklären wollte. Aber was sollte er ihr schon zu sagen haben?
Der Mann, in den sie sich verliebt hatte, war ein Callboy.
Sie war so dumm gewesen. Noch dümmer als dumm: ein Narr. Sie hatte tatsächlich geglaubt, ein Mann wie John könne sich für eine Frau wie sie interessieren. Was hatte sie sich dabei bloß gedacht? John war gut aussehend, weltgewandt und souverän im Umgang mit allem und jedem. Er war sexy , die Frauen rissen sich um ihn. Sie dagegen war unscheinbar, eine graue Maus, ein Mauerblümchen; das Aufregendste, was sie in ihrem Leben tat, war, abends zu Ginny zu gehen. Sie war so was von unsexy, dass es schon beinahe lachhaft war. Natürlich konnte er sich nicht ernsthaft für sie interessieren. Wie hatte ihre romantische Fantasie nur so mit ihr durchgehen können? War sie so verzweifelt auf der Suche nach ihrem Traumprinzen, dass sie die Wirklichkeit jetzt schon komplett aus den Augen verlor?
Sie hatte sich sogar so weit in ihre Tagträume hineingesteigert, dass sie sich allen Ernstes eingebildet hatte, John wäre in sie verliebt! Dabei war seine Liebe käuflich; jede, die ihre Kreditkarte zückte, konnte seine Umarmungen kaufen. Den Küssen, die ihr so märchenhaft erschienen waren, haftete nun etwas Schmutziges an. Für ihn waren ihre Lippen bloß ein weiterer Mund gewesen, der schmeckte wie der jeder anderen Frau in der Stadt. Warum um alles auf der Welt sollte sie für ihn etwas Besonderes sein, wo er doch so viele andere Frauen hatte – elegante, kultivierte, erfahrene Frauen –, mit denen er sie vergleichen konnte? Wie
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