Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
sollte sie da je mithalten?
Niedergeschlagen zog sie ihre Strickjacke noch fester um sich.
Aber was hatte John dann von ihr gewollt? Worauf hatte er es angelegt? Immer wieder quälte sie sich mit diesen Gedanken, während im Hintergrund die Filmmusik lauter wurde und das Paar sich endlich glücklich in die Arme fiel. Was war sie für ihn gewesen? Eine amüsante Ablenkung? Ein Experiment? Oder gar eine Wette? Hatte jemand – Sheryl vielleicht – ihn dafür bezahlt, dass er die dumme kleine Agentur-Jungfer umgarnte? Für einen Lacher auf ihre Kosten? Oder vielleicht hatte Ginny Recht, und sie hatte doch etwas mit Audrey gemeinsam: die einseitige Verliebtheit in einen Mann, der zu höflich war, klare Grenzen zu setzen.
Wie die Antwort auch lauten mochte, eins stand fest: Es war aus. Das mit ihr und John war vorbei. Wenn Audrey ihn haben wollte, dann bitte schön.
Aber das hieß auch, dass sie einer weiteren unvermeidlichen Tatsache ins Auge sehen musste: dass das mit John vorbei war, stimmte sie todtraurig. Und besonders nagte an ihr, dass sie es selbst zu verantworten hatte. Sie hatte sich das alles selbst zuzuschreiben, weil ihre zuckerüberzogene Kleinmädchenfantasie mit ihr durchgegangen war, schimpfte sie mit sich selbst, während der Abspann über den Bildschirm flimmerte. Ginny hatte ihr gesagt, es sei dumm und naiv zu glauben, der Prinz auf dem weißen Ross wäre die Lösung all ihrer Probleme. Sie sollte endlich aufhören zu träumen, nicht immer mit dem Kopf in den Wolken herumlaufen und sich der harten Wirklichkeit stellen. Welche erwachsene Frau glaubte denn bitte schön noch an ein Happy End? Dafür war im wahren Leben kein Platz, Ginny hatte sie gewarnt: Wenn Alice einen Frosch küsste, könnte sich womöglich herausstellen, dass er nichts weiter war als das: ein Frosch. Tja, nun hatte sie den Frosch geküsst und hoffentlich ihre Lektion gelernt. Von jetzt an würde sie, Alice Brown, das Leben ganz pragmatisch angehen. Dieses ganze Liebesgetue war für die anderen bestimmt – ihre Klienten –, aber nicht für sie. Denn sie hatte damit offenbar überhaupt kein Glück.
Alice hob den Kopf und versuchte, trotzig das Kinn zu recken, wie sie es so oft bei ihrer Chefin gesehen hatte. Sie musste sich unbedingt ein dickeres Fell zulegen. Vielleicht hatte Sheryl ja doch Recht, und die Liebe war nichts weiter als ein Geschäft. Und sie war nicht mehr als eine Geschäftsfrau. Liebe war nichts, womit man sich in seiner Freizeit beschäftigte, am Abend und am Wochenende. Wenn sie doch nur so denken könnte wie Sheryl, dann wäre alles okay. John, ihr gebrochenes Herz und ihre geplatzten Träume wären unwichtig. Das Leben ginge weiter, und in ein paar Wochen wäre sie wieder ganz die Alte. Schließlich war vorher auch alles okay gewesen – vor dem Ball und den Blumen und dem Kaffee. Sie hatte ihre Freunde, ihren Job und ihren Garten. Mehr brauchte sie nicht. Das Leben wäre wieder ruhig und ereignislos … und sicher. Wobei sie zu verdrängen versuchte, dass die strahlende, leuchtend bunte Welt, die John ihr eröffnet hatte, plötzlich wieder grau und fade geworden war.
Nach einem ganzen Wochenende unerbittlicher Selbstgeißelung war es eine regelrechte Erleichterung gewesen, wieder ins Büro zu gehen. Doch nun saß sie da – umgeben von so viel Hoffnung und Romantik –, und plötzlich erschien ihr die Arbeit nicht mehr wie eine willkommene Ablenkung.
Dann schneite auch noch Maurice Lazenby persönlich ohne Vorankündigung herein.
Obwohl es draußen mild war, hatte sich Maurice dick eingepackt. Er hatte seinen Mantel bis oben hin zugeknöpft und den Schal ordentlich um den Hals geschlungen, als hätte seine Mutter ihm beim Anziehen geholfen. Unter dem tadellos gekämmten Haar und dem weiß schimmernden Mittelscheitel war sein Gesicht ebenso frostig, wie sein Aufzug es von den Temperaturen vermuten ließ.
»Miss Brown«, klagte er, »ich habe meine Vorbehalte beiseitegeschoben und bin zu den drei Verabredungen gegangen, die Sie für mich arrangiert haben. Ich habe mich mit dieser abgerissenen Künstlerin getroffen, die aussah, als sei sie gerade aus dem Bett gefallen. Und mit der ungehobelten Taxifahrerin, die mir eine Unterhaltung über Sport aufnötigen wollte. Die Schulleiterin war ganz passabel, aber auch nicht das, was ich eigentlich suche. Sie haben also auf ganzer Linie versagt.«
Ohnehin schon ziemlich angeschlagen, war dieser Vorwurf ein Schock für Alice. Sie war sich ganz sicher
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