Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
Aber wie? Sie waren doch so diskret vorgegangen!
»… eine romantische Täuschung «, endete Sheryl vielsagend.
Eine Schockwelle durchlief den ganzen Raum. Eine romantische Täuschung war für eine Gruppe professioneller Partnervermittler sozusagen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Alice bekam einen ganz trockenen Mund. Sie hatte nicht gewollt, dass die anderen es so erfuhren – vor allem Audrey. Ihr wurde übel.
»Nehmen Sie sich doch bitte jeder einen davon.« Sheryl reichte Matteus die Umschläge. Begierig nahm er einen und gab den Stapel dann weiter.
»Ich sollte Sie allerdings warnen«, setzte Sheryl genüsslich hinzu, »der Inhalt könnte Sie schockieren.«
Langsam wurden die Umschläge ausgeteilt, während sich ringsum angespannte Empörung breitmachte. Alice saß ziemlich weit hinten, sie würde als eine der Letzten einen Umschlag bekommen. Ängstlich schaute sie zu den anderen Mitgliedern, die ihren Umschlag schon in den Händen hielten. Die meisten drehten und wendeten ihn ehrfürchtig hin und her, genossen die Aussicht auf einen handfesten Skandal und drückten sich andererseits doch darum, den Umschlag als Erster aufzureißen, um nicht den Anschein zu erwecken, einer hemmungslosen Sensationslust verfallen zu sein. Alice zermarterte sich schier das Hirn. Was konnte da wohl drin sein? Was mochte Sheryl herausgefunden haben? War es ein Foto von ihr und John? Aber das war eigentlich unmöglich, denn sie waren überaus vorsichtig und immer sehr diskret gewesen. Mit voller Absicht hatten sie nur kleine, abgelegene Restaurants gewählt und sich nie in der Öffentlichkeit geküsst. Wie konnte es da sein, dass man sie trotzdem ertappt hatte? Panisch wanderte ihr Blick zu Audreys Platz hinüber. Auch sie würde ihren Umschlag ganz am Ende bekommen, und ihr Kopf ging hin und her, während sie nervös von Sheryl zu Matteus, dann zu Ernie und wieder zu den Umschlägen schaute. Dunkelrote hektische Flecken breiteten sich auf ihren Wangen aus, und trotz Herzrasens und vor Nervosität verschwitzter Hände überkam Alice eine Welle des Mitgefühls für sie. Audrey konnte es nicht ausstehen, Neuigkeiten als Letzte zu erfahren, geschweige denn eine Täuschung, die ausgerechnet Sheryl Toogood aufgedeckt hatte. Am liebsten hätte Alice sie davor beschützt. Sie wollte Audrey um Verzeihung bitten, ihr sagen, dass sie ihr nicht wehtun wollte und dass es ihr leidtat, sich in John verliebt zu haben, aber dass sie dagegen völlig machtlos war.
Sekunden später lag der Umschlag gewichtig in ihren Händen.
»Ach du lieber Himmel! Das kann doch wohl nicht wahr sein!«, empörte sich eine helle Stimme in der Nähe.
Fassungslos starrte Bianca auf den Inhalt ihres Umschlags. Sie hatte die Augen weit aufgerissen, und vor Entgeisterung war ihr die Kinnlade heruntergeklappt. Und dann schaute sie auf. Aber nicht zu Alice. Sondern zu Audrey.
Rasch riss Alice ihren Umschlag auf. Darin befand sich ein Bild. Ein Bild von John.
Ringsherum schnappten die Leute empört nach Luft und schnalzten missbilligend mit der Zunge.
Aber es war kein Foto von Alice und John. Nein, es schien von einer Webseite zu stammen. In der Mitte prangte ein Foto von John, während sich darunter eine katalogartige Auflistung seiner Hobbys befand – neben der Markierung »Preiskategorie A*«. Diagonal über das Bild stand in dicken roten Lettern »John Marlowe, alias John Cracknell« gekritzelt und darunter in Großbuchstaben das Wort »CALLBOY«.
Verdattert starrte Alice auf das Bild, und allmählich dämmerte es ihr. Die Informationen stammten von Geraldines Webseite, wo Besucher sich die verschiedenen Miet-Männer anschauen und ihre Begleitung für den Abend auswählen konnten. Für Alice war das alles vollkommen neu – ihr war nie in den Sinn gekommen, Geraldine könne eine Webseite betreiben, auf der John vermarktet wurde. Aber Sheryl musste irgendwie darauf gestoßen sein.
Rot glühende Wut stieg in Alice auf. Wie konnte Sheryl es wagen, John derart bloßzustellen? Woher glaubte sie das Recht zu nehmen, ihn wie einen Verbrecher vorführen und als Callboy brandmarken zu dürfen? Das stimmte doch alles nicht – er war ganz anders. Und außerdem, was ging das Sheryl überhaupt an?
Alice sprang auf. Und noch ehe sie überhaupt wusste, was sie eigentlich sagen wollte, hörte sie ihre Stimme schon das allgegenwärtige Flüstern und Tuscheln übertönen.
»Das ist alles ganz anders!«, rief sie empört. Sämtliche Anwesende drehten sich zu
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