Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
das Wetter endlich milder wurde, nutzte Sheryl jede Gelegenheit, das Autodach herunterzuklappen und sich den übrigen Verkehrsteilnehmern in ihrer ganzen Pracht zu präsentieren, auch wenn sie dafür die Heizung voll aufdrehen musste.
An der Ampel kam ein Fahrradkurier neben ihr zum Stehen und nutzte seinen günstigen, etwas erhöhten Aussichtspunkt, um ihr unverhohlen in den Ausschnitt zu gucken. Ja, der Frühling war wirklich eine wunderbare Jahreszeit, dachte sie fröhlich.
Während sie darauf wartete, dass die Ampel auf Grün umsprang, schweifte ihr Blick über die schier endlose Blechlawine und blieb schließlich an einem Kleinbus mit drei knackigen Bauarbeitern hängen. Die guckte sie so lange unverhohlen an, bis einer der Männer sich aus dem Fenster lehnte und einen unanständigen, aber anerkennenden Spruch in ihre Richtung grölte. Sheryl bedachte ihn mit einem anzüglichen Lächeln, und dann wurde es Grün. Ihr Cabrio heulte auf, und sie raste los – mit Vollgas zur nächsten roten Ampel.
Das Leben ist schön, dachte sie aufgekratzt. Das Geschäft boomte, sie verdiente Unmengen Geld, und die Übernahme von Cupid’s Cabin lief wie geschmiert. Bedachte man noch dazu, wie gnadenlos genial sie Audrey Cracknell gestern blamiert hatte und das sorgfältig zusammengestellte Übernachtungsgepäck auf dem Beifahrersitz, das alles Nötige für ein heimliches Rendezvous im White Hotel enthielt, dann konnte das Leben kaum besser sein.
Ich bin eindeutig auf der Siegerstraße … dachte Sheryl selbstgefällig. Alles lief wie am Schnürchen, wie bei einer perfekt einstudierten Choreografie; gestern hatte Partridges sogar die lila Stringtangas mit den Marabu-Federn hereinbekommen, gerade noch rechtzeitig zu ihrem kleinen Stelldichein. Die Marabu-Strings (ganz besonders die in Lila) machten Ernie immer ganz wuschig, und Sheryl hatte getan, als sei nichts dabei, als er das Höschen nach ihrem letzten Abenteuer einfach eingesteckt hatte.
»Als kleines Souvenir«, hatte er mit einem Lächeln erklärt, wobei das grelle Kunstlicht die Krähenfüße um seine Augen noch vertieft hatte.
Dummer alter Mann, hatte sie gedacht und sich im Stillen gefragt, ob Männer eigentlich jemals erwachsen wurden. Aber die Stringtangas erfüllten zweifellos ihren Zweck. Ernie behandelte sie jetzt schon wie seine Stellvertreterin und überließ ihr bei den BdP-Treffen immer anstandslos das Wort. Wenn der dämliche alte Knacker endlich einsah, dass es für ihn an der Zeit war, in Rente zu gehen, hätte Sheryl längst erreicht, was sie wollte: Er würde dafür sorgen, dass sie die nächste Präsidentin des Verbandes wurde.
Abgesehen davon war ihr kleines Techtelmechtel mit Ernie mehr als eine reine Geschäftsbeziehung. Sheryl liebte die Abwechslung, und Ernies fortgeschrittenes Alter und seine zuvorkommende Art waren ein erfrischender Kontrast zu Brads selbstverliebten Eitelkeiten und den akrobatischen Gymnastikeinlagen. Es hieß zwar immer, einem alten Hund könne man keine neuen Kunststücke mehr beibringen – aber Sheryl hatte Ernie Männchen machen lassen, wie sie es selbst nie für möglich gehalten hätte.
Mit ihren scharlachroten Krallen trommelte sie auf das Lenkrad und schaute beiläufig in das Schaufenster von Partridges. Doch noch ehe ihr Blick auf die designerbekleideten Puppen fiel, entdeckte sie an der Bushaltestelle eine vertraute Gestalt mit einem Katzenkorb im Arm, den sie fest umklammert hielt. Es dauerte einen kleinen Moment, bis Sheryl aufging, dass es sich bei der unscheinbaren Frau, die tief in Gedanken versunken dastand und das Gesicht in nachdenkliche Dackelfalten legte, um Audrey Cracknell handelte. Irgendwie sah sie anders aus als sonst. Viel kleiner. Als hätte ihr alter Kampfgeist sie verlassen. Das Kinn hatte sie nicht wie sonst gereckt wie ein Soldat beim Parademarsch, und selbst ihre Haare leuchteten nicht mehr so trotzig orange. Irgendwie sah sie gar nicht aus wie Sheryls verbissenste Gegnerin.
Mit einem selbstgefälligen Siegerlächeln ließ Sheryl den Motor aufheulen und raste rücksichtslos in eine sich plötzlich auftuende Lücke im Verkehr. Sie nahm sich vor, am nächsten Tag mal anzurufen und nachzuhorchen, ob sie schon eingeknickt war und Table For Two zum Verkauf stand. Denn letztendlich, überlegte sie kaltherzig, ging es doch immer ums Geschäft. Und Geschäft war Krieg. Und jeder wusste schließlich, was man über den Krieg und die Liebe sagte.
Audrey
B eim Nachtisch mit Apple Crumble ließ
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