Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
sie sich, tief durchzuatmen und ihn mit Samthandschuhen anzufassen, wie es seit vielen Jahren für sie Routine war.
»Nun, Maurice«, erklärte sie, als er während seiner Gardinenpredigt kurz Luft holte, »die anderen Frauen, denen wir Ihr Profil gezeigt haben, hatten kein Interesse, Sie kennenzulernen. Sie waren nicht ihr Typ.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Maurice gereizt.
Audrey seufzte. Genau genommen war Maurice Alice’ Klient, und diese hätte seine hochfliegenden Erwartungen längst zurechtstutzen müssen.
»Frauen mögen sportliche Männer, Spitzenverdiener; Männer, die tier- und kinderlieb sind und angesagte, gefährliche Hobbys ausüben, mit Fallschirmen und Flugzeugen und Gummiseilen. Sie wollen Männer, die sie spontan zum Ballett entführen …«
Audrey konnte hören, wie Maurice schon wieder Luft holte, um zu widersprechen.
»… nach Paris«, fügte sie schwer atmend hinzu. »Nun, Maurice, irgendwann werden Sie mir dankbar sein, dass ich Ihnen das gesagt habe, denn ich schmiere Ihnen keinen Honig ums Maul. Sie müssen Ihre Ansprüche zurückschrauben. Also, möchten Sie wirklich nicht, dass Alice noch eine Verabredung mit Hayley für Sie arrangiert? Die Tierarzthelferin mit dem krummen Finger. Die wäre sicher für eine weitere Verabredung zu haben.«
Schließlich hatte Audrey Maurice vollkommen erschöpft an Alice weitergereicht, damit die ihn besänftigte. Er wusste, dass er ohnehin mit ihr über seine Dates sprechen musste, also wusste der Himmel, warum er jedes Mal zuerst die Chefin mit seiner Jammerei belästigte.
Um elf hatte Audrey sich dann in ihr verglastes Büro geflüchtet und dort verschanzt. Sie ließ die Tür einen Spaltbreit offen – damit sie ihre Angestellten besser belauschen konnte – und tat, als sei sie am Computer beschäftigt.
»Anruf für Sie, Audrey«, trompetete Hilary quer durchs Büro. »Sheryl Toogood auf Leitung drei.«
»Du liebe Güte, was will die denn jetzt?«, knurrte Audrey, während ihr kleiner friedlicher Moment der Ruhe schon wieder vorbei war. Rasch schloss sie die Bürotür. Mit Sheryl Toogood zu reden war schon unangenehm genug, da brauchten ihre Angestellten nicht auch noch jedes Wort mitzuhören.
»Guten Mooooorrrgen, Audrey«, flötete Sheryl. Niemand konnte Vokale derart auswalzen wie sie. Audrey konnte sich genau vorstellen, wie sie in ihrem Büro saß, aufgerüscht bis zum Geht-nicht-mehr, mit ihrer falschen, aufgesetzt freundlichen Art und dem viel zu tiefen Dekolleté.
»Sheryl«, entgegnete sie spitzzüngig mit zusammengebissenen Zähnen.
»Wie geeeeeht es dir? Wie läuft das Geschäft?«
»Blendend«, beeilte Audrey sich zu antworten, hocherfreut angesichts der unerwarteten Gelegenheit, ein bisschen mit ihren Erfolgen zu prahlen. »Wir haben gerade erfahren, dass wir mal wieder eine Ehe gestiftet haben.«
»Oh, gut gemacht! Ich weiß doch, wie gerne du dein Hütchen abstaubst und ein bisschen Konfetti wirfst.«
Audrey stockte und wusste nicht recht, ob Sheryl das herablassend meinte oder witzig. »Und wie läuft es bei Love Birds?«, versuchte sie abzulenken.
»Ach, schrecklich viel zu tun, wie immer«, sprudelte es angeberisch aus Sheryl heraus. »Im vergangenen Monat habe ich einen neuen Mitarbeiter an Bord geholt, Matteus. Er ist Spezialist für Internet-Dating und selbst sehr attraktiv. Durch ihn ist unsere Online-Nutzung um zwanzig Prozent gestiegen, und er hat uns Dutzende neuer Klienten eingebracht! Wir wissen kaum, wo uns der Kopf steht. In jedem Restaurant dieser Stadt sitzen heute Abend Paare unserer Agentur beim Essen.«
»Wie schön.« Audrey musste sich die Worte mühsam abringen.
»Ich weiß«, entgegnete Sheryl unbescheiden. Audrey hörte das synthetische Rascheln ihrer Nylonstrumpfhose, als sie die Beine übereinanderschlug.
»Und wie läuft deine kleine Online-Dating-Geschichte so, Audrey? Habt ihr euren Fingerprint inzwischen verbessern können?«
Audrey hörte das verräterische Kieksen eines nur mühsam unterdrückten höhnischen Glucksens. Sie wurde rot vor Wut. Nie würde Sheryl sie ihren kleinem Fauxpas vergessen lassen. Woher hätte sie denn auch wissen sollen, dass Webseiten etwas hatten, das sich »Fingerabdruck« nannte? Mit diesem technischen Fachjargon kannte sie sich nicht aus. Und die verflixte Webseite hatte sie ohnehin bloß einrichten lassen, weil alle anderen Agenturen auch eine hatten.
»Pass auf, ich komme gleich zur Sache, Aud«, fuhr Sheryl fort, ehe Audrey die Gelegenheit hatte,
Weitere Kostenlose Bücher