Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
sich eine schneidende Antwort auszudenken. »Bestimmt hast du nicht vergessen, dass nächsten Monat der BdP-Ball stattfindet.«
»Aber natürlich nicht!«, rief Audrey aufgebracht, auch wenn sie selbst grundsätzlich nie diese Abkürzung verwendete; die empfand sie nämlich als Beleidigung für ihre schöne englische Muttersprache.
»Du kommst doch sicher?«
»Aber selbstverständlich komme ich!«
Dieses Datum war seit dem Augenblick, in dem es festgelegt worden war, in Audreys Gedächtnis eingraviert, als sei es in Stein gemeißelt. Seit Monaten war es der einzige Eintrag in ihrem ansonsten gähnend leeren Terminkalender, und jeden Abend dachte sie von dem Moment, wenn sie das Licht im Schlafzimmer ausknipste, bis zu dem Augenblick, wenn sie einschlief, an nichts anderes und kostete den Gedanken bis zum Letzten aus. Schließlich würde sie an diesem Abend John wiedersehen.
»Du weißt ja«, fuhr Sheryl fort, »dass man mir dieses Jahr die Organisation übertragen hat. Was für eine Ehre! Ein ganz großes Kompliment für Love Birds, findest du nicht auch?«
»Nun ja, ich würde nicht unbedingt sagen, dass das eine etwas mit dem anderen …«
»… und als Organisatorin des Balls habe ich mir eben die Um-Antwort-wird-gebeten-Liste angeschaut, und dabei ist mir aufgefallen, dass dein Scheck noch nicht eingegangen ist. Da dachte ich mir, ach, das ist aber merkwürdig! Audrey ist doch sonst immer so gewissenhaft, was die Bezahlung angeht! Ich hoffe doch, Table For Two hat keine Liquiditätsprobleme?«
»Nein, natürlich nicht! Was für eine verrückte Vorstellung! Ha ha ha.« Audrey zwang sich zu einem trillernden Lachen. »Es ist mir entfallen, mehr nicht. Ich schicke den Scheck gleich los.« So eine Unverfrorenheit! Und so ein unverzeihlicher Patzer! Sie konnte sich gar nicht erklären, wie ihr das passiert war. Unfassbar.
»Also habe ich erst mal ein kleines Fragezeichen hinter deinen Namen gesetzt.«
»Der Scheck ist morgen früh in der Post«, erklärte Audrey entschieden.
»Ich hoffe doch, du bringst deinen knackigen Ehemann mit?«, gurrte Sheryl klebrig-süß.
Sofort schrillten bei Audrey sämtliche Alarmglocken, wie um sie vor einer drohenden Gefahr zu warnen. Ihr wurde die Brust eng, und ihr Nacken war plötzlich ganz heiß.
»So ein charmanter Mann, und so aufmerksam. Den würde ich an deiner Stelle gut im Auge behalten«, plapperte Sheryl weiter. »Kümmere dich ganz besonders gut um ihn. Wie ich meinen Klienten immer sage, man muss sich Mühe geben, einen Mann bei der Stange zu halten. Hin und wieder sollte man etwas tun, das ihn umhaut. Macht man das nämlich nicht, dann gibt es genügend andere, die es stattdessen tun. Hätte ich einen Mann wie John, ich würde ihn an einer sehr …« – ihre Stimme triefte nur so vor Anzüglichkeit – »… kurzen … Leine halten.«
Und dann lachte sie schrill.
Audrey wurde übel.
»Tja, nun …« Sie spürte, wie Cassandra und Bianca sie durch die Scheibe mit Blicken durchbohrten. Also wirklich, hatte man in diesem Büro denn überhaupt keine Privatsphäre? Und worauf wollte Sheryl eigentlich hinaus? Was redete sie da über John, und was meinte sie bitte mit der Leine? Gab es irgendetwas, das sie nicht wusste? »Ich glaube, da brauche ich mir keine Sorgen zu machen«, gab sie schnippisch zurück.
»Ganz bestimmt bist du Frau genug für John«, versicherte Sheryl nicht gerade überzeugend.
»Tja, nun, wenn das alles war … Ich habe heute viel zu tun.«
»Ja, ich glaube, das war’s«, entgegnete Sheryl leichthin. »Dann rechne ich jetzt jeden Tag mit deinem Scheck.«
»Ich kümmere mich sofort darum. Also gut, dann, bye …«
»… Nur eine Sache noch, Audrey«, unterbrach Sheryl sie langsam. »Du hast mir noch nicht gesagt, welches deiner Mädchen du dieses Jahr mitbringen willst. Du weißt doch, dass du ein Gratisticket bekommst für den ›Aufstrebenden Partnervermittler des Jahres‹.«
»Ach herrje, das hätte ich beinahe vergessen.«
»Das hast du also auch vergessen? Nun gut … ich brauche jedenfalls baldmöglichst einen Namen. Schick mir einfach eine Mail, dann sorge ich dafür, dass Sienna derjenigen eine Einladung zuschickt. Sie ist so ein Schatz, meine Sienna! Ich weiß gar nicht, wie ich das früher alles ohne persönliche Assistentin geschafft habe. Du hast immer noch keine, oder? Aber egal, ich muss Schluss machen, Aud. Ciao.«
Audrey legte den Hörer auf und atmete ein paar Mal tief durch. Ihr Nacken brannte immer
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