Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
dann Matteus, gefolgt von Audrey und John (Audrey saß mit dem Rücken zur Bühne). Barry Chambers, seine Frau Eileen und Präsident Ernies Frau Patricia machten die Runde komplett.
Sheryl nutzte gerade die Gelegenheit, dass Präsident Ernie heute Abend ganz Ohr war, und flüsterte ihm etwas zu, worauf er sich brüllend vor Lachen zurücklehnte.
Frustriert ballte Audrey die Hand zur Faust, und ihre korallenroten Fingernägel drückten kleine weiße Halbmonde in ihre Handflächen. Sie merkte kaum, wie John ihr Glas auffüllte und die Kellnerin das Essen servierte. Der Anblick der aufgerüschten, flirtenden Sheryl war das Einzige, was sie sah.
In dem Moment kam Matteus.
»Audrey! Ciao!«, rief er strahlend, beugte sich zu ihr herunter und küsste sie auf beide Wangen. Audreys Hals wurde hochrot. Was für eine Dreistigkeit, dachte sie empört und bedachte ihn mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken. Sicher war er noch nicht mal Italiener oder Spanier, oder was auch immer er vorgab zu sein. Ihrer Meinung nach klang er eindeutig nach Südostengland. Außerdem war er unpünktlich.
Audrey verlegte sich wieder darauf, Sheryl anzustarren, die Ernies Ohr eine kleine Pause gönnte und nun stattdessen auf Brad einredete, wobei sie ihm ganz unverfroren am Ohrläppchen knabberte. Brad, so dachte Audrey, gehörte vermutlich zu den Männern, die täglich mehrere Stunden im Fitnessstudio und noch viel mehr Zeit vor dem Spiegel verbrachten, um sich selbst zu bewundern. Zweifellos gehörte er zu den Typen, die eine allzu intime Beziehung mit ihrem Haargel pflegten. Sein Teint war eher orange als braun.
Audrey trank einen großen Schluck Champagner und schenkte John ein schmallippiges Lächeln. Sheryl gestikulierte immer lebhafter, sie konnte die Hände gar nicht mehr von Brad lassen. Bei dem Anblick verging Audrey der Appetit. Nun beugte sich Sheryl zu ihm rüber und flüsterte ihm etwas zu, worauf er breit grinste und sich anzüglich die Lippen leckte. Audrey war empört. Also wirklich! So benahm man sich doch nicht bei einer geschäftlichen Festivität. Außerdem war Brad viel zu jung für Sheryl und eitel und oberflächlich, und geistlos war er obendrein. Eigentlich gar kein Mann, sondern ein aufgepumpter, aufgebrezelter männlicher Blondinenwitz, dümmer als ein Stück Brot.
Stinkwütend schaufelte Audrey sich eine gebackene Kartoffel in den Mund und warf einen verstohlenen Blick zu John hinüber. Der schien weder von dem Zorn, der in Audrey kochte, noch von der Bangkok-Peepshow gegenüber irgendetwas mitzubekommen, denn er unterhielt sich seelenruhig mit Eileen Chambers. Audrey versuchte, sich darauf zu konzentrieren, wie stolz sie war, dass John sie begleitete. John war das genaue Gegenteil von Brad: gut aussehend, intelligent und diskret. Und er gehörte ihr, ihr ganz allein, wenn auch nur für ein paar Stunden und zu einem nicht gerade günstigen Preis. Plötzlich überkam sie ein warmes Gefühl der Zuneigung zu ihm. Sie wusste, dass auch er tief in seinem Inneren den Tag herbeisehnte, an dem sie alle Vorsicht fahren lassen und den Zirkus mit Geraldine als Anstandsdame und irgendwelchen Honoraren, Terminen und Rechnungen als Tarnung hinter sich lassen konnten. Bestimmt wünschte er sich ebenso sehr wie sie, endlich offiziell ein Paar zu sein. Audrey hielt den Atem an, nahm all ihren Mut zusammen und überließ sich der Wirkung des Champagners. Wenn Sheryl auf der anderen Seite des Tisches Kamasutra-Übungen machen konnte, dann konnte Audrey doch sicher ein wenig diskrete, aber kuschelige Zweisamkeit genießen, oder etwa nicht?
Schwindelig vor Aufregung rückte sie näher an John heran und wollte sich gerade zärtlich an seinen Arm schmiegen. In einer perfekten Welt hätte John ihr spontan seine Zuneigung gezeigt, den Arm um sie gelegt und sie an sich gezogen. Audrey wäre allerdings auch nicht unwissentlich angetrunken und dementsprechend ungeschickt gewesen. Sie hätte ihn mit ihrem ungelenken Hechtsprung nicht völlig auf dem falschen Fuß erwischt, und ihr beunruhigend schwerfälliger Annäherungsversuch hätte ihn nicht ausgerechnet am Musikantenknochen getroffen, sodass ihm die Gabel aus der Hand katapultiert wurde, die um die eigene Achse rotierend durch die Luft wirbelte und nur um Haaresbreite einer verhängnisvollen Kollision mit einem der Chandelier-Ohrringe von Präsident Ernies Ehefrau entging. In einer perfekten Welt hätte Audreys unvermittelte Kuschelattacke für alle anderen Ballgäste nicht wie ein schlecht
Weitere Kostenlose Bücher