Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
machen.
Fehlte nur noch das Problem mit dem Schminken (warum hatte sie das nicht schon seit ihrem dreizehnten Lebensjahr geübt, so wie alle anderen auch?).
Zum krönenden Abschluss kam ihr dann auch noch der entsetzliche Gedanke, Sheryl Toogood wiederzusehen.
Direkt nach ihrem Gespräch mit Ginny hatte Alice eine kleine Nachtschicht eingelegt und Sheryl eine E-Mail geschrieben. Darin hatte sie ihr höflich für das Angebot gedankt und es freundlich, aber bestimmt ausgeschlagen. Je länger sie über Sheryl und ihre Vermittlungspraktiken nachdachte, desto übler wurde ihr. Sie fürchtete, dass Sheryl keine Frau war, die sich so einfach abweisen ließ, erst recht nicht von einem kleinen Fisch wie Alice.
Heute Abend würde ein flüssiges Abendessen genügen müssen, entschied sie und durchsuchte die Küchenschränke nach einer Flasche Wein. Zum Essen war sie viel zu nervös. Sie schaffte es gerade so, mit zitternden Händen ein Glas vollzuschenken. Kurz war sie versucht, den Wein einfach aus der Flasche zu trinken.
Audrey
D en Arm bei John untergehakt rauschte Audrey hocherhobenen Hauptes in den Town and Country Golf Club. Die petrolblaue Ballrobe schmiegte sich raschelnd um ihre Knöchel. In ihrer Vorstellung legten John und sie einen beeindruckenden Auftritt hin: sehr distinguiert und fast schon hoheitsvoll. Sie bildete sich gerne ein, die anderen Mitglieder des Verbandes betrachteten sie als herausragende Persönlichkeiten in der Welt des Liebeswerbens. Sie waren ein Paar, das sich in gereifter Liebe zugetan war, und nichts an ihnen erinnerte an die überschwänglichen Liebesbekundungen frisch verliebter Pärchen – nein, sie beide verband eine tief empfundene, diskret offenbarte, spät erblühte Liebe wie, sagen wir, die von Charles und Camilla. Im Laufe der Jahre hatte Audrey eine kleine Schwäche für Camilla entwickelt. Zugegeben, sie war nicht unbedingt ein Bild von einer Frau, aber sie war stets gepflegt und ansprechend gekleidet. Man sah ihr an, dass sie sich große Mühe gab.
An Johns Arm, der sie zur Bar führte, nickte Audrey im Vorbeigehen den verschiedenen Mitgliedern des Verbandes herablassend zu. Neben ihm fühlte sie sich wie eine echte Frau. Zu keiner anderen Zeit strahlte sie so von innen heraus. Sie spürte die pulsierende Energie an dem Punkt, wo sein Smoking ihren Arm berührte. Heute war ein Festtag wie Geburtstag, Weihnachten und Ostern zusammen. An diesem Abend war sie nicht bloß Audrey, sie war ein Teil von Audrey und John.
Urplötzlich schob sich eine dicke schwarze Wolke vor ihre Sonne, und Audrey runzelte die Stirn. Warum nur musste Sheryl Toogood ihr jetzt schon über den Weg laufen? Und was um Himmels willen hatte diese unmögliche Person da an?
Audrey brauchte einen Moment, bis sich ihre Augen an den spektakulären Anblick gewöhnt hatten, den Sheryls Garderobe bot. Sie sah aus, als hätte man sie in das tief ausgeschnittene silberne Glitzerkleid hineingegossen, zu dem sie Stilettos mit transparentem Acrylabsatz und eine silberne Clutch trug. Außerdem schillerte sie nur so vor aufdringlich funkelnden Diamanten, die einzigen Farbkleckse an ihr waren die fuchsiafarbenen Fingernägel und die farblich darauf abgestimmten glänzenden Lippen. Audrey schürzte die dezent korallenroten Lippen. Sie fand, dass Sheryl aussah wie ein billiges Revuegirl aus Las Vegas. Oder bestenfalls wie ein falscher Kristalllüster.
Wie Audreys Blick so abschätzig an Sheryl herunterwanderte, blieb er an ihrem Rumpf hängen. In diesem Bereich war ihr Kleid nicht aus schillerndem Stoff, sondern aus durchsichtigem Chiffon. Sheryl ging sozusagen bauchfrei! Audrey war völlig entgeistert. Ab einem gewissen Alter sollte niemand, aber auch wirklich niemand, mehr bauchfrei herumlaufen! Audrey wusste zwar nicht so recht, ab welchem Alter diese Regel galt, und sie konnte sich noch vage daran erinnern, dass diese Mode sich vor einigen Jahren unter jungen Damen großer Beliebtheit erfreut hatte. Aber dennoch, sollte sie ein konkretes Alter benennen, ab wann man seinen Bauch lieber nicht mehr nackt in der Öffentlichkeit zeigen sollte, dann würde sie wohl sagen, acht. Ein Gefühl siegesgewisser Zufriedenheit überkam Audrey. Sheryl hatte es vermasselt. Sie sah einfach unmöglich aus! Sollte sie sich irgendwelche Hoffnungen gemacht haben, ihre Barbie-Klauen nach John ausstrecken zu können – und es stand außer Frage, dass sie genau das beabsichtigt hatte –, so hatte sie diese mit einem Schlag selbst
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