Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
die so wenig den romantischen Erwartungen entsprach, die die Leute von einer erfolgreichen Partnervermittlerin hatten, wie Audrey.
Missmutig runzelte John die Stirn. Warum nur hatte Audrey sich nicht für Alice eingesetzt? Warum war sie einfach dagesessen und hatte untätig zugesehen, wie ihre Angestellte niedergemacht wurde? Was war das bloß für eine Frau? Eigentlich hatte er immer gedacht, es fehle ihr nur an Manieren und Taktgefühl, aber offenbar war mangelndes Mitgefühl ein weiteres Problem.
John schaute auf. Auf der anderen Seite des Tisches tat Sheryl so, als hinge sie an Ernies Lippen. Doch John war klar, was sie im Schilde führte. Einen Spieler erkannte er schon von Weitem. Sheryl beugte sich mit Bedacht zu Ernie herüber, um ihm eine gute Aussicht auf ihr Dekolleté zu verschaffen. Ernie für seinen Teil genoss den Anblick sichtlich. Seine arme Frau Patricia saß unterdessen vollkommen unbeachtet da und schaute traurig auf die Überreste ihrer Crème Brûlée. John wollte schon ein Gespräch mit ihr beginnen, da überkam ihn plötzlich eine schreckliche Müdigkeit. Er warf einen Blick auf die Uhr. Eine Stunde würde er wohl noch durchhalten müssen, ehe er Audrey nach Hause bringen und diesen ganz und gar unerfreulichen Abend vergessen konnte.
Und dann tauchte plötzlich ein Scheinwerfer den Tisch in grelles Licht und ließ John blinzeln. Der Spot richtete sich auf Sheryl und brach sich in den Glitzersteinchen ihres Kleides, die das Licht reflektierten wie ein in unzählige Splitter zerborstener Diamant. Sie sah aus wie eine gewaltige Diskokugel. Mit gespielter Überraschung erhob sie sich, den anderen Tischen dabei Kusshände zuwerfend.
»Also bitte!«, schnaubte Audrey außer sich und stellte ihr Champagnerglas unsanft auf dem Tisch ab, während sich der ganze Saal erhob.
»Sie hat tatsächlich gewonnen!«, rief Barry Chambers begeistert. »Love Birds hat gewonnen! Gut gemacht, Mädel!« Und dann steckte er zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus.
Sheryl schob sich an John und Audrey vorbei zur Bühne. Im Gehen fuhr sie John anzüglich mit dem Finger über den Rücken, und er schaute sie erstaunt an, aber sie war ganz auf die Bühne konzentriert, wo sie von einer knapp bekleideten, unterernährten Blondine erwartet wurde, die ihr mit einem starren Showbiz-Lächeln den Preis entgegenhielt. Das musste wohl die bekannte Schauspielerin sein, dachte John. Alles an ihr schrie: Ich werde dafür bezahlt, dass ich hier bin. John kannte diesen Gesichtsausdruck zur Genüge, denn er trug ihn selbst auch oft genug zur Schau. Sheryl dagegen sah aus, als fühlte sie sich im Scheinwerferlicht wohler als sonst wo. Sie genoss die Aufmerksamkeit wie eine Tänzerin in einem Nachtclub.
»Ach, grundgütiger Himmel!«, brummte Audrey vernehmlich und verdrehte entnervt die Augen. Wutentbrannt griff sie zur nächsten Champagnerflasche und füllte ihr Glas auf, um sich erst danach widerstrebend von ihrem Platz zu erheben, so wie alle anderen auch.
Während Sheryl zu ihrer Dankesrede ansetzte, beobachtete John Audrey. Ihr Gesicht war zu einer verkniffenen Grimasse zusammengezogen, und ihre Lippen waren aufeinandergepresst. Ein guter Verlierer sah anders aus. Mit dem zornigen Gesicht über dem petrolblauen Kleid erinnerte sie an eine wütende Ölpfütze. Der heutige Abend hatte sich zu einem der unangenehmsten seines gesamten Berufslebens entwickelt, dachte John. Gleich morgen würde er Geraldine anrufen und ihr sagen, dass er Audrey nie wieder begleiten würde. Nicht mal, wenn sein Leben davon abhinge.
Sheryls Ansprache näherte sich dem Ende. Höflich stimmte John in den Applaus ein, als sie langsam von der Bühne schwänzelte und noch die allerletzte Millisekunde Aufmerksamkeit gnadenlos auskostete. Vom äußersten Rand des Scheinwerferkegels beleuchtet blieb sie vor ihm stehen.
»Möchten Sie mir nicht einen kleinen Glückwunschkuss geben?«, fragte sie herausfordernd über den tosenden Beifall hinweg.
Die Aussicht, Sheryl zu küssen, war ungefähr genauso reizvoll wie die Vorstellung, sein Gesicht in ein Rattennest zu stecken. Und ganz sicher würde er so etwas nicht vor Audreys Augen tun, denn die bezahlte ihn heute Abend schließlich. Also überlegte er rasch, wie er dieses Ansinnen höflich ablehnen könnte.
Zum Glück mischte sich Audrey in diesem Moment mit herrischer, besitzergreifender Stimme unvermittelt ein.
»Ich glaube nicht, dass das angebra…«
Worauf Sheryl, ihren Einwand
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