Alice Browns Gespuer fuer die Liebe
über die Vorstellung, wie Alice kopflos die Flucht ergriffen hatte, weil die Aussicht auf ein koffeinhaltiges Heißgetränk sie in Angst und Schrecken versetzt hatte. Vielleicht hatte Audrey sie deshalb so eigenartig gemustert, als der Blumenstrauß geliefert worden war.
Alice bekam langsam Kopfschmerzen. Und die Zeit lief ihr davon. Sie musste unbedingt noch heute mit Maurice über ihre neuen Vorschläge sprechen. Und dann wartete die übliche Montagmorgentelefonrunde auf sie, um bei ihren Klienten nachzufragen, wie die von ihr arrangierten Verabredungen am Wochenende verlaufen waren. Keine Zeit für Tagträumereien.
Entschlossen griff Alice zum Telefon und wählte Maurice’ Nummer. Sie hatte sich entschieden. Es war nur höflich, sich für ein Geschenk zu bedanken, also würde sie John eine kurze E-Mail schicken. Den Kaffee würde sie dabei nicht erwähnen, aber die automatisch angehängte Signatur, in der ihre Mobilnummer angegeben war, würde sie nicht entfernen. Wenn John sie daraufhin anrief, war das nicht ihre Schuld. Es war alles ganz unschuldig und anständig: durch und durch grün, wenn man so wollte! Außerdem hatte sie noch nie einen gärtnernden Freund gehabt; vielleicht hatte er einen guten Tipp für sie, wie sie ihre Geranien vor den Blattläusen retten konnte.
Maurice’ Telefon klingelte, und er meldete sich. Heute klang er schon viel gefasster. Alice legte gleich los und erklärte ihm ganz souverän und überzeugend, wen sie für ihn ausgesucht hatte.
Audrey
A udrey saß auf ihrem Lieblingsplatz, in der ersten Reihe des Busses 119. Aufs Oberdeck ging sie nie, denn da wimmelte es für gewöhnlich von Teenagern und Betrunkenen, und sie bevorzugte einen Aussichtspunkt, von dem aus sie vernichtende Urteile über die vorbeigehenden Passanten fällen konnte.
Heute Abend jedoch konnten auch die kuriosesten Gestalten ihre Aufmerksamkeit nicht lange fesseln. Ständig wanderte ihr Blick zu der grauen, nassen Straße, und ihre Gedanken kreisten immer wieder um John.
Sechs ganze Tage waren nun schon vergangen seit dem Ball und dem schrecklichen Gespräch auf dem Beifahrersitz seines Audi. Sechs Tage und sechs Nächte lang war sie wieder und wieder seine Worte durchgegangen. Nachts hatten sie Audrey bis in ihre Träume verfolgt, tagsüber hatten sie sich in ihr Herz eingebrannt.
Ich … ich wusste gar nicht, dass Sie so sind … so hart … so vollkommen ohne jedes Mitgefühl.
Wie oft hatte Audrey schon zum Telefon greifen und Geraldine anrufen wollen, um zu verlangen, dass er ihr erklärte, wie das gemeint gewesen war. Oft hatte sie ihre Hand schon auf den Hörer gelegt, es aber doch nicht über sich gebracht, tatsächlich abzunehmen. Denn wie sollte sie ihren Anruf erklären, ohne Geraldine eingestehen zu müssen, irgendwie Johns Missfallen erregt zu haben? John , der doch immer so ausgeglichen und umgänglich war.
Nein, viel besser wäre es, Geraldine würde Audrey einfach Johns Nummer geben, dann könnte sie ihn selbst anrufen. Sie würde sich entschuldigen, versprechen, sich zu bessern, etwas für einen guten Zweck seiner Wahl spenden, alles, egal was. Wenn er ihr nur verzieh.
Aber sie hatte auch nicht angerufen und nach seiner Nummer gefragt, denn sie wusste, sie würde sie nicht bekommen. Schon einmal hatte sie es versucht, vor Jahren, und dabei all ihre Überredungskunst eingesetzt, aber Geraldine hatte Johns Nummer partout nicht herausrücken wollen. Angeblich war das eine eherne Grundregel der Agentur. Nun fehlte ihr der Mut, es noch einmal zu versuchen. Eine Abfuhr würde sie nicht ertragen – nicht ausgerechnet jetzt, wo sie ohnehin schon am Boden zerstört war.
Stattdessen hoffte sie gegen alle Vernunft, John würde sich bei ihr melden, sich entschuldigen und sie mit seinen Paul-Newman-Augen anflehen, den ganzen unglückseligen Zwischenfall zu vergessen. Audreys Hoffnung war wieder aufgeflammt, als heute unverhofft der Blumenbote vor der Tür gestanden hatte. Als der Bote seinen Lieferschein aus der Tasche gezogen hatte und ins Zimmer gekommen war, hatte sie den Atem angehalten. Doch dann war ihr klar geworden, dass er nicht auf ihr gläsernes Büro zusteuerte. Audrey hatte so lange die Luft angehalten, dass ihr schon kleine schwarze Punkte vor den Augen flimmerten. Sie hätte sich denken können, dass John sich nicht mit einem Blumenstrauß entschuldigen würde. Und schon gar nicht mit so einem garstigen, unansehnlichen Gebinde.
Aber wenn sie Geraldine nicht anrufen wollte und
Weitere Kostenlose Bücher