Alice im Netz - das Internet vergisst nie!
von mir gegebenâ abgetan, und doch schwirrte er immer noch in Aliceâ Kopf herum.
Das ist alles deine Schuld. Der Sprenger rächt sich an mir, deinetwegen. Wegen deines bekloppten Schulblogs
.
Unsinn, wehrte sich Alice gegen Katjas vorwurfsvolle Stimme in ihrem Kopf, der Sprenger liest das Schulblog sowieso nicht, und falls doch, dann hat der garantiert nicht den geringsten Plan, dass er mit Mister Ice gemeint ist.
Und auÃerdem, was war daran so verkehrt? Die mediale Welt war nun mal so. Heute wurde einfach über alles geschrieben und berichtet, besonders im Internet. Somit war man immer auf dem neusten Stand.
SchlieÃlich gehörte sie der Generation Internet an, die sich vorzugsweise aus dem Netz mit Informationen und Wissen versorgte und ihre sozialen Kontakte am liebsten in Social Networks wie Facebook, Twitter, MySpace oder SchülerVZ pflegte.
Dabei auch intime Details, spaÃige Fotos und ein detailliertes Profil von sich selbst preiszugeben, gehörte genauso dazu wie das tägliche Bloggen.
Vor ein paar Wochen hatten sie das Thema âDie Tücken des Internetsâ im Sozialkundeunterricht bei Herrn Tüssen durchgenommen. Marko Tüssen war einer der beliebtesten jungen Lehrer des Geschwister-Scholl-Gymnasiums. Seine blonden Haare, die etwas dunklere Hautfarbe und die stahlblauen Augen machten aus ihm einen echten Schülerinnenschwarm, während sein flapsiger Jargon, der sich kaum von dem der Jugendlichen unterschied, ihm den Status eines Kumpeltyps bei den meisten männlichen Mitschülern eingebracht hatte.
Was Marko Tüssen so von sich gab, welche Meinungen und Lebenseinstellungen er vertrat, kam üblicherweise ziemlich gut bei den Schülern an. Dafür aber nicht immer bei seinen Kollegen. Auch Alice konnte Marko Tüssen ziemlich gut leiden â jedenfalls bis zu der besagten Unterrichtsstunde.
Denn von dem sonst so coolen Lehrer schien plötzlich nicht mehr viel übrig geblieben zu sein.
âHabt ihr als digital Native heute ein Onlineprofil, verfolgt euch das rund um die Erde, und so bildet sich eine überaus stabile soziale Identitätâ, läutete er mit warnender Stimme und ernster Miene das Unterrichtsthema ein. âUnd diese Identität kann an euch kleben bleiben â manchmal ein Leben lang. Das Internet vergisst nie.â
âUnd was ist daran so schlimm?â, wollte Kevin, der eine Reihe vor Alice und Katja saÃ, wissen.
âWeiÃt du â¦â Marko Tüssen zögerte. Er fuhr sich mit den Händen durch die Haare und über den Hals, wo er sie verharren lieÃ. SchlieÃlich sagte er: âDie meisten Jugendlichen gehen viel zu freizügig mit ihren persönlichen Daten um. Es gibt anscheinend heute eine andere Einstellung unter Jugendlichen dazu, was privat ist und was öffentlich. Die Grenze verwischt zunehmend. Und das ist nicht immer gut. Manchmal kann es sogar gefährlich sein.â
Alice fühlte sich von seiner Stimme, in der eine Mischung aus Besorgnis, Warnung, aber auch eine ordentliche Portion Ãberheblichkeit mitschwang, geradezu persönlich angegriffen.
âWar es nicht schon immer so, Herr Tüssen, dass über die Jugend hergezogen wurde? War nicht zu jeder Zeit alles, was die aktuelle Jugend gerade tat oder nicht tat, verwerflich, falsch und auch irgendwie gefährlich in den Augen der Ãlteren?â, fragte sie, und die Ironie, die sie in ihre Worte legte, machte deutlich, dass sie Herrn Tüssens Vortrag für totalen Schwachsinn hielt.
Marko Tüssen nickte, sah aber keinen Deut entspannter aus. âDas ist ein gutes Argument, Aliceâ, räumte er ein. âDu hast die Erwachsenen angesprochen, die Ãlteren. Aber genau hier liegt ja eines der Probleme begraben. Wenn es zu Extremen im Internet kommt, bei denen Kinder und Jugendliche die Hilfe von Erwachsenen benötigen, haben die oftmals genauso wenig Ahnung, was im Internet passiert oder überhaupt passieren kann.â
Caro aus der ersten Reihe meldete sich kichernd zu Wort. âDie leben halt hinterm Mond. Isâ doch geil, dass die keinen Durchblick haben, was da so abgeht.â
âCarolinâ, blaffte Marko Tüssen sie an, âich finde das Thema alles andere als lustig. Und solche Sprüche zeigen mir nur mal wieder, wie wichtig es doch ist, darüber zu reden und euch in aller Deutlichkeit auf die Gefahren hinzuweisen.â
Carolin zuckte peinlich berührt
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