Alice im Zombieland (German Edition)
bemitleiden zu lassen. „Du kannst deiner Mutter sagen, ich war sehr unhöflich und habe dich rausgeschmissen.“
„Okay“, fuhr sie fort, als hätte ich gar nichts gesagt. „Das Leben ist zu kurz, um sich in seinem Elend zu wälzen, das weiß ich. Egal, wie du sicher schon mitbekommen hast, bin ich für dich eine absolute Spitzengesellschaft. Oh, oh. Und weißt du was? Ich habe noch einen Platz in meinem Fave Five Account frei - nicht diese lahme Telefonwerbung, sondern mein derzeitiger engster Kreis - und ich suche nach jemandem, der einen Platz in der ersten Reihe bekommt. Du kannst das also sozusagen als Bewerbungsgespräch betrachten.“
Irgendwie erwachte bei ihrer kleinen Rede meine gute Laune wieder ein bisschen. „Bei einem Platz in der ersten Reihe deiner fünf Lieblingsanschlüsse handelt es sich also um einen Job, oder was?“, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.
„Natürlich.“ Sie strich sich mit den Fingern durchs Haar. „Ich will ja nicht prahlen, aber ich bin äußerst unterhaltsam.“
„Soso. Ich glaube, etwas ruhiger wäre erstrebenswerter.“
„Etwas ruhiger kannst du vergessen. Das solltest du dir aufschreiben, unterstreichen, gelb markieren und mit Sternchen kennzeichnen, mit goldenen.“ Ohne Luft zu holen, redete sie weiter: „Lass uns doch mal überprüfen, ob wir kompatibel sind, okay?“
O-kay . Dann würden wir das eben durchziehen. Die ganze Zeremonie. Alice würde jetzt so tun, als wäre alles in bester Ordnung. „Klar, machen wir.“
„Also … du hast deine Familie verloren, ja?“, sagte sie.
Das nannte man wohl direkt auf sein Ziel zugehen, aber wenigstens schlich sie nicht mit irgendwelchen Plattitüden um den heißen Brei herum. Das war vielleicht der Grund, wieso ich mit einem gekrächzten „Ja“ antwortete. Das war mehr, als ich jedem anderen bisher zugestanden hatte.
„Ein echter Schlag.“
„Allerdings.“
„Isst du das hier noch auf?“ Sie deutete auf den Vanillepudding, den mir jemand gebracht hatte.
„Nein.“
„Wahnsinn. Ich bin am Verhungern.“
Sie grinste breit und katzenhaft, schnappte ihn sich und den Löffel und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Nach dem ersten Bissen seufzte sie genießerisch.
„Dann hör mal zu, und sag mir, ob du meiner Meinung bist.“
„Hm, okay.“ Ich hatte so das Gefühl, als würde ich während dieser Unterhaltung wohl noch öfter ein „Hm“ von mir geben. Selbst wenn sie einfach nur dasaß, kam sie mir wie ein energetischer Wirbelwind vor, dem ich nicht gewachsen war.
Nach einem weiteren Löffel Pudding sagte sie: „Also. Mein Freund und ich hatten uns vorgenommen, den Sommer zusammen zu verbringen, trotzdem musste er irgendwelche Angehörigen in Nowhereland besuchen. Zumindest hat er das behauptet. Egal. Jedenfalls war erst mal alles wunderbar, weil wir jeden Abend telefonierten, dann, peng - auf einmal rief er nicht mehr an. Natürlich versuchte ich ihn zu erreichen, schickte ihm SMS, wie das eben eine brave Freundin so macht. Das war nicht aufdringlich, ich schwör‘s, ich hab‘s nämlich nach dem … sagen wir mal, nach dem dreißigsten Mal aufgegeben. Eine Woche verging, bis er endlich reagierte. Er war völlig besoffen und alles, so nach dem Motto: Hallo Baby, ich vermisse dich und was hast du gerade an? Als wäre gar nichts gewesen. Ich hab ihm gleich klargemacht, dass er kein Anrecht mehr darauf hat, das zu erfahren.“
Schweigen.
Sie beobachtete mich erwartungsvoll und nahm noch einen Löffel Pudding. Ich war versucht, mich im Zimmer nach einer anderen Person umzusehen, für die ihre belastenden Infos gedacht waren. Die wenigen Freundinnen, die ich im Lauf der Jahre gehabt hatte, hatten mir natürlich auch Storys aus ihrem Leben und von ihren Typen erzählt, aber keine war gleich in der ersten Minute so offen gewesen.
„Und? Was sagst du?“, drängelte Kat.
Ach ja. Das war der Augenblick, in dem ich mein Urteil abgeben sollte. Zustimmung oder Kritik. „Es war … richtig?“
„Genau! Und jetzt hör dir mal das an: Er hat mich mit einem falschen Namen angesprochen. Nicht beim Sex oder so was. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte ich ihn wohl gekillt, dann hätte er gar nicht mehr die Gelegenheit gehabt, seine kläglichen Erklärungen abzugeben. Nein, es war, als wir das letzte Mal telefoniert haben.“
Ich brauchte einen Moment, um mir noch mal die ganze Geschichte durch den Kopf gehen zu lassen und zu kapieren, was sie jetzt von mir erwartete. „Das ist echt
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