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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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dieses Gespräch mehr bedeuten würde als nur die Absage zur Hochzeit. Lena würde mir niemals verzeihen.
    Während ich die Kurzwahlnummer eingab, unter der ich das Mobiltelefon meiner Freundin eingespeichert hatte, entschied ich, dass ich sie nicht anlügen würde. Ich würde keine Krankheit vorschieben, ich würde mich nicht herausreden. Während ich auf das Freizeichen wartete, sah ich Lena vor mir. Wir kannten uns seit vielen Jahren, niemand kannte mich besser als sie. Ich dachte an ihr Lächeln und wie sie immer den Kopf in den Nacken geworfen hatte, wenn jemand etwas Lustiges sagte. Diese Linie ihres Halses, ich würde mich darüber beugen, und …
    «Hi, Isa, wo bist du, es ist gleich neun! Wir warten schon!»
    «Ich komme nicht.»
    «Was?»
    Lena kreischte aufgeregt ins Telefon.
    «Ich kann dich ganz schlecht verstehen. Ist die Verbindung so schlecht? Isa, wo steckst du denn?»
    Ich räusperte mich, dann wiederholt e ich mit lauter Stimme: «Lena, ich werde nicht kommen. Ich kann nicht deine Brautjungfer sein. Verzeih mir.» Dann unterbrach ich das Gespräch und schaltete das Handy aus. Dieser Bruch würde endgültig sein. Ich fühlte nichts außer einem vagen Erstaunen, dass ich das eben tatsächlich getan hatte. Seit Monaten hatte Lena kaum von etwas anderem geredet als von ihrer Hochzeit und ich hatte genau gewusst, was dieser Tag und meine Anwesenheit ihr bedeuteten. Doch ich hatte keine andere Wahl, und so kehrte ich zu Laurean zurück.
    «Schläfst du?», fragte ich leise.
    Er schlug die Augen auf.
    «Wir schlafen nicht, Isa. Aber in der ersten Zeit kann es sein, dass du noch manchmal einschläfst, das ist ganz normal.»
    «Wie meinst du das, dass du … ich meine, dass wir nicht schlafen?»
    «Wie ich es sage , Isa. Wir haben einfach kein Schlafbedürfnis. Stattdessen gehen wir in die Träume der Menschen. Dort kannst du tun, was du willst. Du wirst sehen, es wird dir gefallen. Wenn du willst, nehme ich dich mit. Komm her, lege dich zu mir und schließe die Augen.»
    Laurean ergriff meine Hand, sobald ich mich neben ihm ausgestreckt hatte, und ich machte die Augen zu. Das Letzte, was ich fühlte, war der Druck seiner Finger, dann fielen wir tief, erst durch heiße, dann durch kalte Luft. Alles war ganz rot, dann blau, dann war gar keine Farbe mehr da. Schließlich umfing uns Wasser und um uns herum tanzten zahllose Delfine. Ein kleiner Junge ritt auf einem von ihnen und Laurean und ich schwangen uns ebenfalls auf eines der flinken Tiere. Wir ritten mit dem Jungen um die Wette. Er lachte und hatte keine Angst vor uns. Dann flogen wir der Sonne entgegen. Über uns war ein Flugzeug, das in der Luft zu stehen schien. Der Rumpf zerbarst, Passagiere und Wrackteile stürzten an uns vorüber rasend schnell in die Tiefe. Nur ein alter Mann schwebte nahezu bewegungslos, wie ein Ballon. Ich sah seinen Mund auf- und zugehen und obwohl kein Laut zu uns drang, wusste ich, dass er um Vergebung bat. Doch wofür? Laurean schüttelte den Kopf und öffnete eine Tür, die sich mitten zwischen den Wolken befand. Wir betraten eine Ebene, die unendlich schien. Eine junge Frau lief an uns vorüber. Ihr Haar war kupferfarben und sie hatte Angst. Ihr Mund war zu einem unhörbaren Schrei geöffnet. Ich wandte mich um und erblickte ein vielköpfiges Monster, das die Frau verfolgte. Ohne zu zögern streckte ich eine Hand aus und zerschmetterte das Monstrum, als wäre es eine lästige Fliege. Doch die Frau hörte nicht auf zu schreien. Diesmal waren wir es, die sie ängstigten. Laurean ließ sich auf alle viere nieder. Im nächsten Augenblick hatte er sich in ein rassiges, pechschwarzes Pferd verwandelt, das ich bestieg. Schon nach wenigen Sprüngen hatten wir die junge Frau erreicht. Ich warf mich auf sie, schlang meine Beine um ihren Körper und biss zu. Schließlich kam ein Wind auf und trug sie wie Staub von mir fort, nahm sie einfach aus meinen Armen. Ich schlug die Augen auf.
    «Das war unglaublich», sagte ich und streckte mich. Im Kamin brannte bereits das Feuer und die Dämmerung hinter den Fenstern kündigte die Beutezeit an. Laurean hatte sich erhoben, er stand angezogen vor mir und ließ die Reißzähne in den Mundwinkeln aufblitzen. In meinem Mund stieß die Zunge an etwas, das sich noch ungewohnt anfühlte, scharf und glatt. Ich konnte es kaum erwarten, mich in die Nacht zu stürzen.

4. Kapitel
    Am nächsten Tag kehrte ich lange genug in meine Wohnung zurück, um ein paar Angelegenheiten zu regeln und eine Tasche mit

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