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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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ich zuvor noch niemals betreten. An diesem Tag verstand ich erst, warum wir Salizaren einander in den Wohnräumen so selten begegnet waren. In der ersten Zeit hatte ich immer wieder schattenhafte Gestalten hinter einem beweglichen Holzpaneel verschwinden sehen, das sich an einer Seite der Eingangshalle befand.
    «Du musst dich erst bewähren, es ist noch nicht an der Zeit», hatte Laurean gesagt, als ich ihn fragte, wohin der Weg führte und ob ich den Raum, oder was auch immer sich hinter der Wand befand, ebenfalls betreten dürfte. Ich war neugierig, was mich dort erwartete, doch ich hätte es nicht gewagt, mich Laureans Befehl zu widersetzen.
    Eines Tages endlich war es so weit. In der Minute, als die Sonne hinter dem Horizont versank, führte er mich hinab. Zuvor hatte ich meine erste Abolla erhalten, den traditionellen Umhang der Salizaren, der nur bei besonderen Anlässen getragen wurde. Meine Abolla bestand wie Laureans aus dunkelrotem Samt. Die Nobilat trugen schwarze, die Suprimat blaue und die niederen Inzepat aschgraue Abollas. Außerhalb der Villa kleideten wir uns, um nicht aufzufallen, in der jeweiligen Mode der Menschen. Laurean hatte mir erklärt, dass sein Stamm nur durch diese Anpassung überlebt hatte. Doch zu diesem Festtag waren wir unter uns. Unter der Abolla waren wir unbekleidet. Die Salizaren zeigten ihre prachtvollen Körper mit dem unbefangenen Stolz schöner Tiere, denn Gefühle wie Scham kannten sie nicht.
    In der Eingangshalle hatte sich bereits eine Traube aus roten und blauen Umhängen gebildet, die in Richtung Treppe strebten. Die wartenden Inzepat hielten sich etwas abseits. Als Laurean sich näherte, wichen die Brüder und Schwestern ehrfurchtsvoll zurück. Hinter dem geöffneten Holzpaneel schritten wir zunächst eine schmale Treppe hinab, die auch in einen Keller hätte führen können, nur dass es in diesem Fall tiefer hinabging. Stufe für Stufe ging es immer weiter hinab. Hinter uns hörte ich das Rascheln der Abollas und den Atem der Salizaren, die uns in gebührendem Abstand folgten. Je tiefer wir hinabstiegen, umso lauter wurde das Gemurmel und Knurren, es schwoll an wie an jenem Abend, als Laurean mir das Amulett verliehen hatte. Bald spürte ich meine Füße nicht mehr. Es war, als würde das Summen aus unzähligen Salizarenkehlen mich tragen. Ich leckte mir die Lippen und fletschte erwartungsvoll die Zähne, dann stimmte ich in das Knurren mit ein.
    Die Treppe vor uns wurde breiter und mündete schließlich auf einen Felsvorsprung, der wie ein Balkon durch eine in den Stein gehauene Mauer begrenzt war. Jenseits der Balustrade fiel die Felswand steil ab. Rechter Hand führten weitere Stufen hinab in die Grotte.
    Wir traten an die Brüstung. Von diesem Punkt aus überblickten wir die Salizarenhöhle, die in ihren Ausmaßen so gewaltig war wie ein unterirdischer Dom. Der Anblick war überwältigend und das Gewölbe so weitläufig, dass ich in dem herrschenden Dämmerlicht nicht alle Ecken und Winkel ausmachen konnte. Alle paar Schritte waren die Felswände von Gängen unterbrochen, die sich wie Würmer in das Erdreich bohrten. An den Wänden brannten Fackeln und an mehreren Stellen waren mannshohe Feuer entzündet, dennoch herrschte bestenfalls ein diffuses Licht. Hunderte von Salizaren wimmelten geschäftig am Grund des Gewölbes umher, andere lagerten noch um die Feuer herum, denn die Nacht brach gerade erst an. Die Unruhe, die jeden Salizaren zu dieser Tageszeit befiel, war bereits zu spüren. Der Blutdurst ließ die Luft förmlich vibrieren.
    Laurean hob die Hände und das Summen und Knurren verstummte augenblicklich. Ein Meer aus erwartungsvoll funkelnden, nachtschwarzen Augen richtete sich auf den Fürsten der Salizaren.
    « Brüder und Schwestern, heute ist Sânge Prospăt, das geheiligte Blutfest. Bringt die Beute herein», befahl Laurean. An der Pforte eines der Gänge, die in das Erdreich führten, standen mehrere Nobilat Wache. Sie traten beiseite und trieben die Herde der Blutsklaven herein. Die meisten von ihnen waren vor langer Zeit einmal Menschen gewesen, die gefangen worden waren. Man hatte sie gezwungen, Salizarenblut zu trinken, damit sie nicht an unseren Bissen starben. Ihrer Kleidung entblößt und kahl geschoren irrten sie wimmernd in der Menge umher. Die Wächter trieben sie zusammen und führten sie zum Platz unterhalb der Brüstung, an der wir standen. Das blutdurstige Knurren der Menge schwoll erneut an, doch noch berührte niemand die Blutsklaven,

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