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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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überwältigend und ließ mich zurücktaumeln. Eine der beiden Gestalten richtete sich auf. Ein Mann offenbar, von großer Statur jedenfalls, der einen langen Mantel mit Kapuze trug. Er schien unversehrt zu sein, doch zu seinen Füßen krümmte sich, wie ich jetzt erkannte, ein wurmartiges, fleischiges Wesen. Es war nackt, nein, nicht nur nackt, es lag bloß und ohne Haut. An einzelnen Stellen stachen bereits die Knochen hervor, doch es lebte noch, es wand sich und jaulte. Auch im Todeskampf versuchte es noch sich zu wehren und fletschte seine Zähne. Die Zähne! Das Wesen erhob sich mit letzter Kraft auf die Knie. An seinem Hinterkopf hingen dichte, schwarze Haarsträhnen hinunter, eine prachtvolle Mähne, die im grotesken Widerspruch zu der blutigen Fratze stand, die einmal das Gesicht gewesen war. Eine Salizarin! Eine der Unsrigen!
    Ich hatte mich schon zum Sprung bereitgemacht, da sah ich, dass der Mann in der erhobenen Hand ein kristallenes Fläschchen hielt. Instinktiv hielt ich inne.
    « Stirb, du Ausgeburt der Hölle!», rief der Mann aus und schüttete den Rest der klaren Flüssigkeit über die zuckende Kreatur. Das getroffene Fleisch löste sich zischend auf und fiel in ganzen Stücken von den Knochen. Das Wesen fiel zu Boden, stieß noch ein letztes Wimmern aus, dann rührte es sich nicht mehr. Eine dünne, giftig stinkende Rauchsäule stieg von dem Häuflein aus Knochen und Gewebe auf. 
    Ich stand wie gelähmt, m ein Kampfeswille war erloschen. Der bittere Geruch des sich auflösenden Salizarenfleisches hatte sich in meinen Schleimhäuten festgesetzt und benebelte meine Sinne. Was sollte ich tun? Wer war dieser Fremde und was hatte er der Salizarin angetan?
    Der Mann trat einen Schritt zurück. Meine Beinmuskeln spannten sich unwillkürlich an und ich fletschte erneut die Zähne. Trotz meines Entsetzens verspürte ich keine Angst, ich versuchte nur, meine Chancen abzuschätzen. Das Fläschchen mit der todbringenden Flüssigkeit war leer gewesen, doch was, wenn er noch mehr davon hatte? Der Unbekannte wandte mir noch immer den Rücken zu. Sollte ich es wagen? Wenn ich ihn rücklings ansprang, würde er vermutlich zu überrascht sein, um reagieren zu können, und bevor er sein todbringendes Fläschchen anheben könnte, hätte ich ihm meine Reißzähne bereits in seinen Hals geschlagen. Ich würde ihn bis zum letzten Tropfen aussaugen, sein Fleisch zerfetzen, ihm sein mickriges Geschlecht entreißen. Dieser Mann würde die Vernichtung der Blutschwester büßen, wenn ich auch noch immer nicht begriff, wie das geschehen konnte. Welche todbringende Flüssigkeit hatte das Fläschchen enthalten?
    Ich war wütend und bebte vor Blutdurst, dennoch zögerte ich, ohne zu wissen, was mich eigentlich zurückhielt. Bisher hatte ich jedes menschliche Wesen mühelos überwältigt, egal wie groß oder kräftig es war. Am Ende rettete mich wohl dieser Moment der Unentschlossenheit, denn während ich noch zauderte, schlug der Mann die Kapuze zurück und das fahle Licht des Mondes schien auf die glänzende Haut seines Schädels, der von einem schmalen Haarkranz eingerahmt war.
    Ein Mönch. Der Orden des Heiligen Vânatŏr! Ich knurrte kaum hörbar in seine Richtung, dann warf ich einen letzten Blick auf die schaurige Szene und zog mich lautlos in das Dickicht zurück.
     
     

8. Kapitel
    «Bist du dir ganz sicher?»
    Ich war außer Atem in der Villa eingetroffen, nachdem ich die Stadt schneller durchquert hatte als jemals zuvor. Wie ein gehetztes Tier war ich durch Gärten und Straßen geeilt. Laurean hörte aufmerksam zu, dann ließ er mir einen Blutsklaven zuführen, damit ich mich sättigen konnte. Mit dem Genuss des frischen Salizarenblutes kehrten Ruhe und Kraft in meine Glieder zurück und ich war erneut imstande, klar zu denken.
    «Ich versichere dir, Laurean, dass er von dem Orden des Heiligen Vânatŏr kommt. Wer, bitte schön, trägt denn heute noch eine Tonsur? Und wie sonst soll man sich erklären, was mit unserer Schwester geschehen ist?»
    Laurean blickte an mir vorbei in das Feuer. Die edlen Gesichtszüge des Salizarenfürsten wurden von dem Widerschein der Flammen angestrahlt und ich spürte, wie mein Verlangen erwachte. Ich konnte von ihm einfach nicht genug bekommen. In ihm vereinten sich Schönheit und Furchtlosigkeit und er war so zärtlich, wie man es von einem Salizaren überhaupt nur erwarten konnte. Ich wusste, dass Laurean sofort reagieren würde, wenn ich meine Bereitschaft zur Paarung zeigte, doch

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