Alicia II
das so richtig? Und können wir nun …«
»Nein. Ich möchte eine angemessene Würdigung meines Körpers hören. Warte eine Sekunde, bis ich aus meiner Garderobe heraus bin. Gefällt dir das Wort Garderobe?«
»Alicia, kannst du … das ist doch kein … es ist nicht notwendig, worüber lachst du?«
»Über nichts. Gar nichts. Siehst du einer Frau gern beim Ausziehen zu?«
»Nicht …«
»Ich bin sicher, ich wirke unbeholfen. Ich würde die hohe Kunst des Striptease nie erlernen. Zu viele Zubehörteile klemmen, kleben, rutschen mir aus den Fingern. So, das hätten wir. Jetzt noch das, und du genießt den vollen Anblick. Ist die Beleuchtung raffiniert genug für dich?«
»Alicia, willst du wohl damit aufhören! Dies …«
»Nein. Noch eine Sekunde. So. Voilà! Nein, das ist eine schreckliche Pose. Wie ist es mit der? Begutachte mich. Sieh nicht weg, begutachte mich. Bin ich hübsch oder nicht? Voss, ich muß daraus schließen, daß ich es nicht bin. Über was lachst du?«
»Nichts – ich kann es dir nicht sagen, ich kann es …«
»Doch, du kannst es! Und Tatsache ist, daß du es besser tätest.«
»Nein, es ist kein …«
»Komm näher. Nicht? Dann rücke ich eben dir auf den Pelz. Wums! Da bin ich. Fasse mich an. Berühre mich hier. Laß ihn mich für dich aufrichten, das wird helfen. Wie sieht das aus? Berühre mich da, verdammt noch mal! Laß mich es tun.«
»Alicia, bitte, hör auf. Ich möchte nur für eine Minute hier raus.«
»Wohin könntest du gehen? Hier, bitte. Gott, du zuckst vor meinen Fingern zurück, als seien sie vergiftete Messer. Hier, laß – Christus und Ethel, du bist nervös. Weißt du, was das ist? Eine viktorianische Verführung mit vertauschten Rollen. Glaubst du nicht …«
»Nein, ich glaube nicht. Ich glaube nicht, daß …«
»Willst du deine Mannheit verteidigen? Da wir von deiner Mannheit sprechen …«
»Das werden wir müssen, verflucht!«
»Ich weiß. Ich halte dich fest. Du sollst nicht wegrücken, gottverdammt noch mal! Bitte, Voss, laß dich von mir umarmen. Umarme mich. Ich brauche dich. Ich liebe dich. Mir fällt nichts ein, wie ich es dir beweisen könnte. Ich weiß nicht einmal, warum ich dich liebe. Es kümmert mich nicht einmal, ob du mich liebst, zum Teufel. In der Beziehung hast du keine Verantwortung. Drück mich.«
»Alicia, es handelt sich dabei nicht um Liebe, es …«
»… ist was?«
»Alicia, ich kann nicht … ich meine, es ist uns nicht möglich …«
»Was? Komm, Liebling, du kannst es mir erzählen. Was ist uns nicht möglich?«
»Uns … uns zu lieben. Körperlich.«
»Liebling, das weiß ich. Ich habe es immer gewußt.«
»Aber …«
»Ich mußte dich nur dazu bringen, es zuzugeben. Es tut mir leid, aber ich mußte …«
»Du Hexe!«
»Ja, ich fürchte, du hast recht.«
18
Wir blieben drei oder vier Stunden lang in dem Hinterzimmer der Kirche. Alicia, keusch verhüllt in einem Flanell-Nachthemd, das sie bei einem früheren Besuch in einen Schrank gelegt hatte, berührte mich oft mit den Fingerspitzen, mit dem Handrücken. Sie tat es zart, als gehe sie mit Salatblättern oder Damaststoff um – zwei sehr schiefe Bilder, das will ich einräumen. Ich lag beinahe in Katatonie, gefühlsmäßig ebenso lethargisch wie körperlich. Ich konnte den Gedanken nicht verscheuchen, daß einer von uns beiden nicht hier sein sollte.
Irgendwann sagte ich Alicia, daß ich sie liebte.
Seltsam, ich erinnere mich nicht, was unmittelbar davor oder danach geschah.
Später nahm sie meine Hand, drückte sie gegen ihren Körper und zwang mich, sie zu streicheln. Ich küßte sie impulsiv und genoß den Kuß als eine Art wissenschaftliches Experiment. Ich versuchte, in meinem Körper noch eine andere Empfindung zu entdecken als den leichten Schmerz auf meinen Lippen – fühlte mich elend, weil sich keine solche Reaktion einstellen wollte, hatte aber
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