Alicia II
liebsten, wie du es ausdrückst, bei euch beiden bleiben, aber darüber können wir später diskutieren. Vor allem mußt du dir erst einmal klar darüber werden, ob du bei mir bleiben willst.«
»Das will ich.«
»Wie kannst du das nach so langer Zeit wissen?«
»Ich weiß es.«
»Ich bin nicht mehr hübsch.«
»Darüber ließe sich streiten.«
»Ah, zumindest räumst du die Möglichkeit ein.«
»Hübsch bin ich auch nicht mehr.«
»Du bist immer noch verklemmt, aber das geht in Ordnung. Ich habe mich längst daran gewöhnt.«
»Wie lange werden wir noch hier sitzen und uns wegen allem vor Verlegenheit winden?«
»Noch ein Weilchen. Ich brauche es. Ich muß immer noch über den Alptraum hinwegkommen, daß ich in diese Wohnung zurückkehre und sehe, wie Triplett dich tötet. Da war soviel Blut, daß ich dachte – nun, es kommt nicht darauf an, was ich dachte.«
»Als letztes sah ich, daß Triplett dich töten wollte.«
»Ich glaube nicht, daß er den Wunsch hatte, mich zu töten. Er hatte nichts anderes im Kopf als seine Rache an dir. In dem Augenblick, als er sich zu mir umdrehte, funktionierten seine Reflexe nicht mehr. In der letzten Sekunde bewegte er seine Hand und schoß an mir vorbei. Ich schrie immer weiter.«
»Man hat ihn tot aufgefunden, wurde mir gesagt.«
»Ich habe ihn getötet. Aber frag mich nicht danach. Ich habe es eben getan, okay?«
»Ist ja gut.«
»Weißt du übrigens, daß du zu einer Art Kultgestalt des Untergrunds geworden bist? Hunderte werden über deine Erneuerung in Jubel ausbrechen. Sie erwarten, daß du auf der Stelle in ein anderes Beinhaus hinabsteigst und links und rechts Zerstörung anrichtest. Du bist heute beinahe ebenso groß wie St. Ethel. Sogar hier in Denver, wo schließlich der Kult entstanden ist.«
»Sagen wir lieber niemandem, wer ich bin. Oder war. Ich glaube nicht, daß ich die Gesellschaft St. Ethels ertragen könnte, nicht einmal von Mythos zu Mythos.«
»Trotzdem müssen wir weiter in ihrer Armee kämpfen. Alle Anzeichen weisen darauf hin, daß wir vorankommen. Es gibt eine Menge, was wir tun können – was du tun kannst.«
»Ich weiß nicht, ob ich …«
»Natürlich nicht. Das kommt später. Im Grunde hast du kaum eine Wahl. Nicht, wenn du mich willst. Und da wir gerade davon sprechen: Mein Zimmer ist zwei Türen weiter. Wenn es auch nicht sehr komfortabel ist, trifft sich das doch gut.«
»Allmählich hasse ich das Wort.«
»Vielleicht sollten wir aufhören zu reden.«
Wir begannen mit ein paar altmodischen romantischen Ritualen, einem Glas Wein, einem bißchen Geflüster, aber alles kam uns falsch vor. Dann sagten wir uns, am besten sei es, ins Bett zu gehen und das Peinliche der Situation hinter uns zu bringen. Nur daß es sich dann als gar nicht peinlich erwies.
Überhaupt nicht. Bei jeder anderen Gelegenheit, mit jedem anderen Partner war es peinlich gewesen. Aus olympischen Höhen betrachtet, war es ebenso lächerlich wie jede Paarung von Mann und Frau, aber das Schicksal hatte uns bereits genug Steine in den Weg geworfen, und wir ließen uns von irgendwelchen olympischen Ansichten nicht beeinflussen. Als es vorbei war und wir uns gegenseitig festhielten, als könnten wir das Risiko nicht eingehen, uns jemals wieder loszulassen, flüsterte Alicia: »Weißt du was? Das war der Mühe wert.«
Und wir begannen beide zu lachen.
»Das war es«, sagte sie, und die Lachtränen liefen ihr über das Gesicht. »Das war es. Das war es wirklich.«
»Ich weiß. Ich bin ganz deiner Meinung. Aber lachen muß ich trotzdem.«
»Wir sollten nicht lachen.«
»Doch!«
»Oh, du hast recht. Tun wir’s noch einmal, bevor ich zu lachen aufhöre.«
ENDE
Weitere Kostenlose Bücher