Alicia II
nachdrücklicher Ironie? Wie meinst du das? Oh, Jesus, so grausam bin ich nicht. Nein, es war so gemeint, wie ich es gesagt habe. Ich bin nicht gut im Umgang mit Männern. Sie mögen mich nicht.«
»Warum nicht?«
»Keine Ahnung. Wenn ich zurückhaltend bin, gähnen sie und wandern zu irgendeiner aggressiven Type ab. Wenn ich sie ermutige, fallen ihnen die Augen aus dem Kopf, und dann fliehen sie. Wenn ich höflich bin, sind sie grob. Wenn ich grob bin, verabschieden sie sich auf höfliche Art. Ich glaube, ich ziehe Männer einfach nicht an.«
»Das ist töricht.«
»Frauen übrigens auch nicht. Und alle Menschen, die ich trotzdem anziehe, meinen, sie müßten mich nach irgendeinem Idealbild, das nur sie allein kennen, umformen. Deshalb glaube ich, daß auch sie mich nicht mögen. Denn wenn sie mich mögen würden, brauchten sie mich ja nicht zu ändern, nicht wahr?«
»Vielleicht, aber ich kann dir auf diesem besonderen Gebiet kaum einen Rat geben.«
»Ich wollte auch keinen Rat von dir. Ich versuche nur, dir auseinanderzusetzen, warum ich dir wahrscheinlich treu bleiben werde – Jesus, ist das richtig? Treu. Jedenfalls werde ich mir keine Liebhaber nehmen. Loyal, das ist das richtige Wort. Ich werde loyal sein. Das klingt gut und schrecklich romantisch, finde ich. Willst du wissen, wie viele Liebhaber ich bereits gehabt habe?«
»Nein.«
»Es ist mir peinlich. Du mußt es wissen, schon aus dem Grund, daß du es mir vorhalten kannst.«
»Ich will es dir nicht vor …«
»Zwei. Mehr nicht. Zwei Männer. Und das ist noch dazu lange her. Seitdem hat es bei mir geheißen: danke, nein. Ich könnte auf dem Rücken liegen, umgeben von …«
»Schon gut. Aber strebe die Zahl drei an.«
»Nein, ich will nicht. Na ja, wir werden sehen. Soll ich dir von den beiden Männern erzählen?«
»Von welchen beiden Männern?«
»Von meinen Liebhabern. Meinen früheren Liebhabern. Meinen Liebhabern vor dir. War das sentimental genug für dich? Ja, ich sehe, das war es. Aber sei guten Mutes, der Schmerz wird vorübergehen.«
Schließlich erzählte sie mir von ihren Liebhabern. In einiger Ausführlichkeit. Absichtlich habe ich das meiste davon vergessen. Aber wir lachten viel. Und ich weiß noch ein paar der gemeinen Dinge, die sie über die beiden Männer sagte.
»Ich frage mich …« begann ich später.
»Was?«
»Ich frage mich, ob ich über mein – wie soll ich es nennen? – mein Leiden nicht froh sein soll.«
»Um alles in der Welt, warum sagst du das?«
»Nun, indem ich nicht dein Liebhaber bin, entgehe ich der Demütigung, zu deinem Ex-Liebhaber zu werden und …«
»Du Hurensohn!«
»Wie du sie beschreibst, das ist, als würden sie wie Schmetterlinge aufgespießt und zur Schau gestellt.«
Sie schlug mich, dann küßte sie mich. Wieder kam es nicht zu der Reaktion, die ich herbeisehnte. Und ich begann zu weinen. Ohne nach dem Grund zu fragen, küßte Alicia mir die Tränen fort und sagte, wenigstens sammeln wir Erinnerungen, deretwegen wir später sentimental werden könnten.
19
Wir sahen Rosalies Andacht durch ein kleines Fenster zu, das hinter einem Schreibschrank verborgen war und den ganzen Raum überblickte. Es war Einweg-Glas, so daß die Versammelten uns nicht sehen konnten. Rosalie ging in einer wallenden roten Robe unter ihren Leuten umher, von denen einige auf Stühlen mit gerader Lehne saßen, während andere knieten oder lang ausgestreckt auf dem Holzfußboden lagen.
Sie berührte sie leicht, bewegte oft nur die Hand über ihre Köpfe und sprach leise mit ihnen. Zwischendurch hielt sie eine lange Predigt über St. Ethel im Himmel. Sie nehme dort diejenigen Seelen in Empfang, die ihre lange Wanderung über die Erde beendet hätten, und trauere mit ihnen um die Seelen, die noch keinen Frieden gefunden hätten, weil ihre Körper
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